Schlichte Schönheit
Die Feldlerche ist „Vogel des Jahres 2019“



Feldlerche - Foto: Gerhard Kleinschrod/www.naturgucker.de
Und das nicht zum ersten Mal: Schon einmal, 1998, stand die Feldlerche im Rampenlicht als Jahresvogel. Leider hat sich für sie seitdem nichts zum Guten gewendet: „Innerhalb von nur sechs Jahren, von 2011 bis 2016, ging die Zahl der bei unserer jährlichen Vogelzählung in Mecklenburg-Vorpommern erfassten Feldlerchen um 64 Prozent zurück“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Stefan Schwill. „Dieser dramatische Rückgang hat seine Ursachen vor allem in der nach wie vor fortschreitenden Intensivierung der Landwirtschaft. Die Verarmung der Fruchtfolge sowie der inzwischen enorme Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden führen zu immer weniger Wildkräutern auf den Wiesen und Feldern und in der Folge zu einem weitgehenden Fehlen von Insekten. Diese sind aber für die Aufzucht von Jungvögeln die entscheidende Nahrungsgrundlage.“
Liebt die freie Sicht
Es fehlt der Feldlerche also zunehmend an tierischer Nahrung, vor allem aber an Lebensraum. Wie der Name vermuten lässt, sind das Felder und Wiesen. Im Wald wird man die Feldlerche vergeblich suchen, denn sie liebt das Offenland. Ihr Nest baut sie auch nicht, wie viele andere Vögel, in Baum oder Strauch, sondern auf dem Boden. Dafür scharrt das Weibchen eine bis zu sieben Zentimeter tiefe Mulde aus, die mit feinem Pflanzenmaterial ausgepolstert wird. Am liebsten hat sie es, wenn die im Umkreis wachsenden Pflanzen und Gräser nicht allzu hoch sind, denn sie lässt ihren Blick gerne in alle Richtungen streifen. Ursprünglich bewohnte sie alle baumfreien Lebensräume. Auf Heiden, Wiesen, Weiden und Äckern konnte sich die Feldlerche als typischer Kulturfolger stark ausbreiten. Seit jedoch Wiesen bis zu fünf Mal im Jahr gemäht werden, häufig genau um die Brutzeit herum, findet sie kaum noch geeignete Standorte für eine erfolgreiche Jungenaufzucht. Auch zeitweise ungenutzte Ackerbrachen gibt es kaum noch. All das führt dazu, dass die ehemals extrem häufige Feldlerche inzwischen auf der Vorwarnliste der Roten Liste Deutschlands steht.

Feldlerche - Foto: Mathias Schäf
Einst natürlicher Wecker
Dabei galt sie einst als Allerweltsvogel. „Die Lerchen zu beschreiben ist überflüssig, denn größer und schlanker als ein Sperling, doch mit ähnlichem Gefieder, ist der Vogel so häufig, dass niemand ihn übersehen kann…“, schrieb der Begründer der wissenschaftlichen Vogelkunde Johann Friedrich Naumann (1780-1857). Mit besonderer Schönheit macht die Feldlerche jedenfalls nicht von sich reden: Ihr einziger Schmuck besteht aus feinen, schwarzbraunen Längsstreifen und Strichen am Oberkopf, Rücken sowie Bürzel sowie der stumpfen Haube auf dem Kopf. Ihre besondere Berühmtheit rührt vielmehr von dem fröhlichen, beschwingten Gesang. Bereits im Januar oder Februar sind die typischen rollenden Laute zu hören. Bis in den Juli hinein trällert die Feldlerche von der Morgendämmerung bis zum Abend, weshalb sie vielerorts lange als natürlicher Wecker galt. Davon ist heute nur noch selten die Rede.
Meist sind es die Männchen, die hoch oben in der Luft fliegend ihr Lied singen. Bis zu 200 Meter hoch können sie dabei aufsteigen. Vom Boden aus sind die Tiere dann kaum noch zu erkennen, so dass der Gesang direkt aus dem Himmel zu klingen scheint. Zwei bis fünf Minuten kann so ein Auftritt dauern. Hört man die Feldlerche am Boden, handelt es sich meist um ein Weibchen. Im April beginnt es mit der ersten Brut. Zwei bis sieben, schmutzig-weiße, bräunliche oder leicht grünliche Eier legt das Weibchen jeweils im Abstand von je einem Tag. Nach nur elf bis zwölf Bruttagen schlüpfen die zunächst noch nackten und blinden Küken. Die Arbeit der Eltern ist klar verteilt: die Vogelmama wärmt den Nachwuchs, der Vogelpapa schafft Insekten und andere Wirbellose als Nahrung herbei. Das Nest verlassen die Kleinen schon mit sieben bis elf Tagen - eine natürliche Schutzmaßnahme, um Nesträubern wie Fuchs, Marder oder Hauskatze zu entgehen. Selbstständig sind die kleinen Feldlerchen aber erst nach etwa 20 Tagen. Vorher hüpfen sie verteilt in der Umgebung des Nestes herum, machen später ihre ersten Flugversuche, während sie weiter von den Eltern gefüttert werden. Sind die Jungen „aus dem Haus“, brütet das Weibchen kurze Zeit später meist erneut, manchmal auch ein drittes Mal.
Während die Art in Westeuropa ganzjährig lebt, sind mitteleuropäische Feldlerchen klassische Kurzstreckenzieher. Sie verlassen ihre Brutgebiete von September bis November in Richtung Südwesten, um bevorzugt in Südfrankreich und Spanien zu überwintern. Ende Januar bis Mitte März, je nach Witterung, kehren sie dann in ihre Brutgebiete zurück. Aber die Feldlerche ist keineswegs nur eine Europäerin: sie brütet von Portugal und Irland im Westen bis hin zur Kamtschatka-Halbinsel und Japan im Osten, vom nördlichen Norwegen bis zum Mittelmeer. Der Mensch hat die virtuose Sängerin außerdem in Neuseeland, Tasmanien und Südost-Australien eingeführt, wo sie heute häufig anzutreffen ist.
Der Himmel ist stummer geworden
Wenngleich die Feldlerche weltweit gesehen aufgrund ihres riesigen Verbreitungsgebietes ein häufiger Vogel ist, zeigen offizielle Monitoringdaten für Deutschland zwischen 1990 und 2015 einen Bestandseinbruch um 38 Prozent, also um deutlich mehr als ein Drittel. Der Himmel ist stummer geworden. Manche Kinder kennen den fröhlichen Gesang der Feldlerche gar nicht mehr. Auch andere Feldvögel sind aus dem Bewusstsein vieler Menschen verschwunden. Kiebitz, Rebhuhn, Goldammer – ihnen geht es ähnlich schlecht oder noch schlechter. „Der Jahresvogel steht deshalb stellvertretend für alle Feldvögel und soll auf die katastrophale Landwirtschaftspolitik in Berlin und Brüssel aufmerksam machen“, sagt Stefan Schwill. „Wenn unsere einst typischen Feldvögel eine Zukunft haben sollen, brauchen wir mehr Naturschutzflächen, Biolandbau und blühende Wiesen mit reichlich Insekten.“
Wiesenvogelschutz-Projekte
Zwischen 2015 und 2017 wurden im Rahmen des Sympathieträger-Kiebitz-Projektes in Mecklenburg-Vorpommern 23 Kiebitzinseln und 21 Kontrollflächen in der Agrarlandschaft angelegt. Nur drei der 23 Kiebitzinseln wurden tatsächlich von Kiebitzen besetzt. Mehr →
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Viel ist in letzter Zeit vom Artenrückgang zu hören. Immer weniger zu hören sind hingegen die Gesänge von früher allgegenwärtigen Vogelarten wie der Feldlerche. Die Ursachen sind bekannt und liegen in der immer intensiver geführten industriellen Landwirtschaft. Mehr →
Ehemalige Jahresvögel
Der Star ist den Menschen vertraut und weit verbreitet. Doch seine Präsenz in unserem Alltag täuscht, denn der Starenbestand nimmt ab. Es fehlt an Lebensräumen mit Brutmöglichkeiten und Nahrung – insbesondere verursacht durch die industrielle Landwirtschaft. Mehr →
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