Rabenvogeljagd durch die Hintertür
Kritik an Jagdfreigabe für Elstern, Graureiher und Rabenvögel
28. März 2013 - Mit einer Verwaltungsvorschrift vom 24. Januar 2013 ermöglicht das Landwirtschafts- und Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern die Abschüsse der Vogelarten Elster, Nebelkrähe, Rabenkrähe, Kolkrabe und sogar des Graureihers auf der Basis von Einzelanträgen.
Zur Begründung für die Vogeljagd sollen angebliche wirtschaftliche Schäden in der Landwirtschaft bis hin zum angeblich notwendigen Schutz anderer heimischer Arten vor den Rabenvögeln und dem Graureiher ausreichen. Über die Anträge der Jäger sollen die Naturschutz- und Jagdbehörden in einem beschleunigten Genehmigungsverfahren entscheiden.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der NABU und der Ökologische Jagdverein (ÖJV) in Mecklenburg-Vorpommern stellen hierzu fest:
„Die Jagdlobby und der Bauernverband haben sich offenbar mit den seit Jahren vorgebrachten Behauptungen, es würde durch Rabenvögel zu massiven Schäden in der Landwirtschaft und an anderen Wildarten kommen, beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern durchgesetzt. Angeblich sollen Rabenvögel für den Rückgang von anderen geschützten Vogelarten, so zum Beispiel der Bekassine und des Rebhuhns, mitverantwortlich sein“, sagt Prof. Mathias Grünwald, Landesvorsitzender des BUND in Mecklenburg-Vorpommern.
„Dem Graureiher werden Fischverluste bei der Binnenfischerei angelastet. Dies sind jedoch reine Behauptungen. Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass Rabenvögel und der Graureiher für die angebliche Übertragung von Seuchen, für den Rückgang anderer Arten und größere Schäden in der Landwirtschaft beziehungsweise der Fischerei verantwortlich sind. Der Bestand des Graureihers ist zudem in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns rückläufig. Eine Jagd verbietet sich damit“, so Grünwald weiter.
Vorschrift vollkommen ungerechtfertigt
Stefan Schwill, NABU-Landesvorsitzender: „Seit Jahrzehnten fordern Teile der Jägerschaft gebetsmühlenartig und ohne überzeugende ökologische oder ökonomische Argumente die Bejagung der Rabenvögel. Sie gehören nach Ansicht konventioneller Jäger zum Spektrum der ‚Beutegreifer‘ und seien deshalb als ‚Feinde des Niederwilds‘ pauschal zu bejagen. Der Abschuss der genannten Vogelarten bleibt jedoch völlig wirkungslos, da für den Rückgang des Niederwildes vor allem Lebensraumverluste verantwortlich sind. Auch wirtschaftliche Schäden sind allenfalls als äußerst gering einzustufen und rechtfertigen eine solche Vorschrift keinesfalls.“
Der ökologische Jagdverband (ÖJV) Mecklenburg-Vorpommern hält die Verwaltungsvorschrift für fachlich nicht tragbar und kritisiert, dass das Landwirtschaftsministerium sie ohne Einbeziehung von jagdlichen Fachverbänden und Umweltverbänden erlassen hat.
Dr. Karl-Günter Guiard, Vorsitzender des ÖJV: „Mit der erlassenen Vorschrift hat das Landwirtschaftsministerium den heutigen Wissensstand der Wildbiologie ignoriert. Der Rückgang vieler Tierarten wird nicht durch Prädatoren, sondern vor allem durch eine zunehmend umweltschädigende Landwirtschaft verursacht. Strukturarme Landschaften ohne Kleingewässer und Feldgehölze sowie die systematische Verwendung von Pestiziden sind typische Ergebnisse dieser Entwicklung. Wir protestieren gegen die erlassene Verwaltungsvorschrift, die eine Vogelgruppe pauschal verurteilt und die ein Genehmigungsverfahren etabliert, das in nicht nachvollziehbarer Weise zu beschleunigten Genehmigungen für den Abschuss der Rabenvögel und des Graureihers führen soll. Um dies zu ändern, sollten Jäger und Naturschützer gemeinsam für eine umweltverträgliche Landwirtschaft mit einer strukturreichen Landschaft und weniger Flächenverbrauch kämpfen. Bisher hören wir dazu von Jägern, Landwirten und Fischern immer noch viel zu wenig.“
Einbeziehung der Umweltverbände geschickt umgangen
Der ÖJV und die Umweltverbände NABU und BUND kritisieren auch die Art und Weise, wie das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern an den Umweltverbänden und anderen Fachverbänden vorbei, den jetzigen Jagderlass erarbeitet hat.
„Bereits vor zwei Jahren hatte es im Zuge der Beratungen zu einer neuen Jagdzeitenverordnung einen intensiven Austausch im Ministerium zu dieser Thematik gegeben. Schäden durch Rabenvögel konnten dabei weder durch das Ministerium, noch durch die Landwirtschaftsbetriebe und Jäger belegt werden. Die scheinbar damit erledigte Angelegenheit wurde jedoch im Ministerium weiter bearbeitet und mit quasi gleichem Ziel, der erleichterten Jagd auf Rabenvögel und den Graureiher, in einen Verwaltungserlass gegossen. Da es sich jetzt ‚nur‘ um eine Verwaltungsvorschrift und nicht um eine Verordnung handelt, müssen die gesetzlich anerkannten Umweltverbände nicht beteiligt werden. Eine weitere Einbindung der Fachleute aus den Umweltverbänden und dem Ökologischen Jagdverband erfolgte deshalb nicht. Wir sehen darin ein absichtliches Umgehen des fachlichen Dialogs durch das Ministerium“, sagt BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag.
ÖJV und die Umweltverbände NABU und BUND wollen den Jagderlass zum Thema eines Gespräches mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern machen.
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