NABU lehnt LNG-Vorhaben in der Ostsee entschieden ab
Errichtung zwischen Lubmin und Rügen betrifft mehrere Meeresschutzgebiete


NABU-Stellungnahme zu LNG-Seetrasse zwischen Rügen und Lubmin

Unweit von der Seebrücke Sellin (Rügen) soll ein riesiges LNG-Terminal entstehen. - Foto: NABU/Volker Gehrmann
17. März 2023 - Der NABU hat in seiner Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren zur Errichtung einer LNG-Anbindungs-Leitung zwischen Lubmin und Rügen das Vorhaben deutlich abgelehnt. Durch die geplante Trasse und den Tower würden gleich mehrere Schutzgebiete bebaut, namentlich
- das Landschaftsschutzgebiet „Greifswalder Bodden“
- das internationale Vogelschutzgebiet im Schutzgebietsnetzwerkes Natura 2000 „Westliche Pommersche Bucht“ DE 1649-
401
- das internationale Vogelschutzgebiet „Greifswalder Bodden und südlicher Strelasund“ DE 1747-402
- das FFH-Gebiet „Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht" DE 1749-302
- das FFH-Gebiet „Greifswalder Bodden, Teile des Strelasundes und Nordspitze Usedom" DE 1747-301)
Das geplante Vorhaben Ostsee-LNG potenziert die Umweltverschlechterung der Ostsee und lässt befürchten, dass das Ziel eines guten Zustands der Meeresumwelt u.a. nach Vorgaben der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie weiter verzögert bzw. langfristig in Frage gestellt wird.
Umweltverbände unterstützen Widerspruch der DUH und fordern Absage der Projekte

Der Greifswalder Bodden vor dem Industriehafen Lubmin - Foto: Manuela Heberer
Update vom 28. Februar 2023 - Das Bündnis fordert insbesondere den Stopp aller Planungen für ein neues Mega-Terminal wenige Kilometer vor der Küste Rügens sowie für den Bau einer neuen Offshore-Pipeline durch den ökologisch hochsensiblen Greifswalder Bodden. Außerdem stehen die Umweltverbände geschlossen gegen den Betrieb des LNG-Terminalschiffs im Hafen von Lubmin. Hiergegen hat die DUH heute Widerspruch beim zuständigen Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern eingereicht, der von BUND, NABU und WWF in Mecklenburg-Vorpommern fachlich unterstützt wird.
DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Bei den LNG-Projekten in Lubmin und vor Rügen muss die Notbremse gezogen werden. Unser Bündnis sendet ein starkes Signal an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Die Ostsee darf nicht für eine unnötige, fossile Energieindustrie geopfert werden. Wir werden die Industrialisierung der Ostsee vor Rügen verhindern. Gestoppt werden muss auch der Betrieb des LNG-Terminalschiffs in Lubmin. Die Genehmigung ist rechtswidrig erteilt worden, wesentliche Projektbestandteile wie der Shuttle-Verkehr wurden nicht auf ihre Umweltfolgen geprüft. Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um die Ostsee zu schützen und die Terminals in Lubmin und vor Rügen zu stoppen.“
Corinna Cwielag, Geschäftsführerin des BUND Mecklenburg-Vorpommern: „Die Blitzgenehmigung für das schwimmende LNG-Terminal im Lubminer Hafen nach dem LNG -Beschleunigungsgesetz gefährdet Natur und Umwelt. Die Auflagen der Genehmigung sind völlig unzureichend, um Schäden für den empfindlichen Greifswalder Bodden zu vermeiden. Die Kühlwassereinleitung der Gasanlage in das Flachwassergebiet, Heringslaichzeiten und Vogelrastzeiten sind nicht berücksichtigt. Zudem gibt es erhebliche Sicherheitsrisiken durch Störfälle - und das in der unmittelbaren Nachbarschaft zum stillgelegten Atomkraftwerk Lubmin mit hochradioaktiven Abfällen in einem ungesicherten Zwischenlager. Die Belastungsgrenzen für den Naturraum sind längst erreicht. Weitere Terminals und Pipelines gefährden deshalb auch die Tourismuswirtschaft an einer der schönsten Küsten Deutschlands.“
Dr. Rica Münchberger, Geschäftsführerin des NABU Mecklenburg-Vorpommern: „Der Bau der LNG-Terminals in der Ostsee zementiert die Nutzung fossiler Energieträger. Deutschland begibt sich damit in neue, langjährige Abhängigkeiten, wodurch die notwendige Energiewende blockiert wird. Die Wahl des Standortes vor Rügen innerhalb sensibler Schutzgebiete offenbart wieder einmal die Ignoranz der Politik gegenüber der ökologischen Belastungsgrenze der Ostsee“.
Finn Viehberg, Leiter WWF Büro Ostsee: „Die jetzigen Investitionen in fossile Energieträger stehen den Anstrengungen zur beschlossenen Klimaneutralität bis 2045 entgegen. Die Beschleunigungsverfahren gehen einseitig zu Lasten der Natur, das muss und darf nicht sein. Wir brauchen Lösungen zur Energie-, Klima- und Biodiversitätskrise, die sich nicht widersprechen.“
Hintergrund:
Das LNG-Terminalschiff Neptune der Firma Regas hat bereits Ende Dezember 2022 im Hafen von Lubmin den Betrieb aufgenommen. Eine Genehmigung wurde Mitte Januar vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern (StALU) erteilt. Gegen diese Genehmigung legt die DUH nun unterstützt von den genannten Umweltverbänden Widerspruch ein.
Bei der Genehmigung des Terminals in Lubmin hat das StALU schwere ökologische Folgen für den Greifswalder Bodden ignoriert und wichtige Brandschutz-Vorkehrungen nicht ernst genommen. Wesentliche Projektbestandteile wie der Shuttle-Verkehr und der Betrieb des Speicherschiffs Seapeak Hispania vor der Küste Rügens wurden in der Genehmigung nicht berücksichtigt. Der Shuttle-Verkehr ist allerdings notwendig, um das Flüssigerdgas vom Speicherschiff durch den flachen Greifswalder Bodden zum LNG-Terminalschiff im Hafen von Lubmin zu bringen, da die LNG-Tanker das Terminal wegen ihres großen Tiefgangs nicht direkt anfahren können. Verheerende Umweltfolgen wurden hierbei ungeprüft in Kauf genommen, obwohl der tatsächliche Gas-Bedarf stark zu bezweifeln ist. Die DUH fordert mit der Unterstützung des neuen Bündnisses in dem heute eingereichten Widerspruch, die Genehmigung zurückzunehmen und den Betrieb in Lubmin sofort einzustellen.
Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern hat darüber hinaus am 13. Februar 2023 bekannt gegeben, dass wenige Kilometer vor Rügen bereits im Herbst 2023 ein weiteres LNG-Terminal den Betrieb aufnehmen soll. Dazu soll eine Offshore-Pipeline durch den Greifswalder Bodden gebaut werden, um das Gas in das Fernleitungsnetz einspeisen zu können. Das Terminal soll wenige Kilometer vor Sellin errichtet werden und in der zweiten Ausbaustufe eine jährliche Kapazität von 38 Milliarden Kubikmeter besitzen. Es wäre damit das größte LNG-Terminal in Europa. Gegenwärtig läuft das Genehmigungsverfahren für die Offshore-Pipeline, Umweltverbände können bis zum 16. März Einwendungen einreichen.
Link DUH-Widerspruch
Starke Zweifel an sinnvollem Beitrag zur Energiesicherheit
Generelle Kritik an Verfahrensablauf und Umweltgefährdung bleibt bestehen
Update vom 11. Januar 2023 – Nach der ersten Sichtung der nun vorliegenden Genehmigungsunterlagen für die Errichtung des LNG-Terminals im Greifswalder Bodden vor Lubmin hält der NABU seine generelle Kritik an dem Vorhaben aufrecht. Zwar seien einige kritische Punkte, zu denen sich der NABU in seiner schriftlichen Stellungnahme geäußert hatte, geklärt bzw. ausgeräumt worden. Dazu zählen der Verzicht auf Biozide, die Erstellung einer vollen Umweltverträglichkeitsprüfung statt der zunächst vorgesehenen, nur rudimentären, Vorprüfung sowie ein neues Gutachten zur Wärmeeinleitung in den Greifswalder Bodden.
Dennoch sieht die Genehmigung weiterhin kein Monitoring zum Schutz des sensiblen und vorgeschädigten Ökosystems vor und enthält auch keine konkreten Aussagen zu Kompensationsmaßnahmen für die mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe in die Meeresumwelt. „Es ist fraglich, ob durch die Anlage tatsächlich ein sinnvoller Beitrag zur Energiesicherheit erreicht wird und ob der endgültige Nutzen überhaupt mit dem Aufwand, also dem weitreichenden Eingriff in das Ökosystem, in einem sinnvollen Verhältnis steht“, sagt NABU-Landesvorsitzender Falk Ortlieb. „Generell lässt das Projekt eine umweltverträgliche Planung vermissen, die jedoch bei einem Eingriff in ein derart sensibles Ökosystem dringend geboten wäre“, so Ortlieb weiter. „Die Shuttle-Tanker fahren in einem 24-Stunden-Betrieb, verdichten den Schiffsverkehr, produzieren Lärm und verdrängen die dort lebenden Tiere aus ihren Lebensräumen. Außerdem könnten sich Schadstoffeinträge erheblich auf die Umwelt auswirken. Letztlich ist dieses Projekt viel zu groß für den Greifswalder Bodden und die ökologischen Auswirkungen wurden im Vorfeld nicht ausreichend untersucht, da es viel zu schnell umgesetzt wurde."
Auch hinsichtlich der Anlagenkapazität bleibt der NABU skeptisch. So wird die Genehmigung aufgrund erhöhter Dringlichkeit erteilt, mit dem Ziel, besonders große Mengen an LNG anzulanden, um damit die Energiesicherheit zu erhöhen. Die örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten, insbesondere Wetterverhältnisse wie maximale Windstärke und Sicht sowie der Tiefgang der beladenen Schiffe, lassen an der praktischen Umsetzung jedoch stark zweifeln.
Weiterhin kritisiert der NABU nach wie vor die Beteiligungspraxis im Vorfeld der Genehmigung. Eine digitale Auslage der Antragsunterlagen durch die Genehmigungsbehörde hatte auch nach Aufforderung nicht stattgefunden. Die Möglichkeiten zur Einsicht waren viel zu kurzfristig und nur eingeschränkt gegeben.
NABU lehnt LNG-Terminal Lubmin ab
Stellungnahme enthält zahlreiche Gründe für Ablehnung
Update vom 05. Dezember 2022 -Mit Schreiben vom 28. November 2022 hat der NABU Mecklenburg-Vorpommern seine Stellungnahme zur Errichtung und Betrieb einer schwimmenden Anlage zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage) im Greifswalder Bodden vor Lubmin an das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern als Genehmigungsbehörde übermittelt.
Zusammenfassend kommt der NABU wegen der fehlenden Transparenz im Beteiligungsverfahren sowie der mangelhaften Einbeziehung der Öffentlichkeit, des Fehlens eines Gesamtkonzepts und langfristiger Nutzungsmöglichkeit, der Zweifel an dem besonderen Interesse, der nautischen Sicherheitsbedenken, der erheblichen Beeinträchtigung der Natura 2000-Schutzgebietskulisse und geschützter Arten wie Schweinswal und Kegelrobbe, der mangelhaften Kompensation, der Fehlberechnungen bei der Einleitung von erwärmten Wasser und weiteren offenen Fragen zu der Einschätzung, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist.
Update vom 15. November 2022 - Mit einer neuerlichen Bekanntmachung hat die Genehmigungsbehörde "aufgrund einer möglicherweise missverständlichen Formulierung zum Einwendungszeitraum in der Bekanntmachung vom 07.11.2022" diese am 14. November 2022 ersetzt. Demnach können die Unterlagen in Papierform bis einschließlich 21.11.2022 im Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern Stralsund sowie im Amt Lubmin nach Terminvereinbarung eingesehen werden. Schriftliche oder elektronische Einwendungen per Email gegen das Vorhaben können gemäß § 10 Abs. 3 BImSchG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 2 LNGG bis einschließlich 28.11.2022 erfolgen.
Parallel wurde das durch den NABU beauftragte anwaltliche Aufforderungsschreiben (siehe unten) seitens der Genehmigungsbehörde als Informationsgesuch nach § 9 Abs. 1 S. 3 UIG gewertet und daraufhin mit der Deutschen Regas eine Möglichkeit zur digitalen Bereitstellung der Genehmigungsunterlagen vereinbart. Diese wird aktuell geprüft.
14. November 2022 - „Wir fordern die zuständigen Behörden auf, die Öffentlichkeit unverzüglich effektiv am Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb des LNG-Terminals im Greifswalder Bodden vor Lubmin zu beteiligen“, so NABU-Landesgeschäftsführerin Dr. Rica Münchberger. „Eine Auslegung der etwa 1.000 Druckseiten umfassenden Unterlagen ausschließlich in Papierform und einsehbar nur zu den sehr begrenzten Dienstzeiten vor Ort beim StALU in Stralsund oder im Amt Lubmin innerhalb von nur fünf Werktagen ist nicht akzeptabel und widerspricht geltendem Recht.“
Auch wenn es sich bei der geplanten schwimmenden Anlage zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (Floating Storage and Regasification Unit, kurz: FSRU) am Standort Lubmin um ein nach den Regelungen des LNG-Beschleunigungsgesetzes (LNGG) priorisiertes Vorhaben handelt, muss eine hinreichende Beteiligung der Öffentlichkeit sichergestellt werden. So heißt es auch in der Gesetzesbegründung, dass die Bekanntmachung von Unterlagen und anderen Informationen über das Internet zugänglich gemacht werden soll. Durch diese – zeitlich befristete – Form der Beteiligung soll sichergestellt werden, dass Informationen unmittelbar allen Betroffenen zur Verfügung stehen. „Gerade weil in diesem Fall ein beschleunigtes Zulassungs- und Vergabeverfahren vorgesehen ist, sieht der Gesetzgeber die digitale Verfügbarkeit der Unterlagen für die Öffenltichkeit als erforderlich an“, so Münchberger. „Dass die Genehmigungsbehörde in Stralsund diese Zugänglichmachung der Unterlagen verweigert bzw. nicht in Erwägung zieht, irritiert uns sehr und ist mit der aktuellen Gesetzgebung schlicht nicht vereinbar.“
LNG-Anlandung durch Vogelschutzgebiet geplant
Die Deutsche ReGas KGaA plant die LNG-Anlandung und Regasifizierung im LNG-Terminal „Deutsche Ostsee“ in Lubmin bereits zum 01.12.2022. „Die Kurzfristigkeit des Vorhabensträgers darf jedoch nicht dazu führen, dass demokratische Beteiligungsprozesse der Öffentlichkeit außer Kraft gesetzt werden“, so Münchberger. „Der Verzicht auf die Veröffentlichung der Unterlagen im Internet beschneidet insbesondere auch die Beteiligungsrechte anerkannter Umweltvereinigungen wie dem NABU eklatant.“ Der NABU setzt sich seit mehr als 120 Jahren für die Rettung der (Meeres-)Natur ein. Die Errichtung der FSRU-Anlage befindet sich in unmittelbarer Nähe des Greifswalder Boddens, der u.a. als Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist. Durch diesen soll der Shuttle-Schiffverkehr zur Versorgung der schwimmenden Regasifizierungsanlage erfolgen. „Von einer angemessenen Öffentlichkeitsbeteiligung kann hier keine Rede sein, was im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens einen Verfahrensfehler darstellt. Wir fordern die Genehmigungsbehörde daher auf, diesen Fehler zu korrigieren, die Unterlagen digital bereitzustellen und einen angemessenen zeitlichen Rahmen für die Beteiligung zu schaffen“, fordert die NABU-Landesgeschäftsführerin.
Hintergrund:
Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern hatte am vergangenen Montag (7.11.) bekanntgegeben, dass die Genehmigungsunterlagen zu Errichtung und Betrieb einer schwimmenden Anlage zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas in Papierform im Zeitraum vom 08.11.2022 bis einschließlich 14.11.2022 am Behördensitz in Stralsund sowie im Amt Lubmin während der Dienstzeiten nach vorheriger Terminabsprache eingesehen werden können. Schriftliche oder elektronische Einwendungen sind demnach vom 15.11.2022 bis einschließlich 21.11.2022 zu erheben.
Der Bau von neuen Flüssigerdgas-Terminals in Wilhelmshaven an der Nordsee hat begonnen, allerdings ohne offizielle Genehmigung und der dafür notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung. Die drei Umweltverbände BUND, NABU und WWF planen deshalb rechtliche Schritte. Mehr →
Das geplante Flüssiggas-Terminal vor Rügen soll mitten in einem Meeresschutzgebiet entstehen. Das würde Teile des Meeresbodens zerstören und den bereits belasteten Greifswalder Bodden, seine Lebensräume und dort heimische Arten gefährden. Mehr →