Engagiert für den Pommernadler
Britta Gronewold erzählt im Interview vom Schutzprojekt für den Schreiadler
03. September 2009 - Markus Jais ist begeisterter Greifvogel-Fan und treuer Unterstützer des Schreiadlerprojektes beim NABU Mecklenburg-Vorpommern. Er betreibt mehrere Webseiten zum Thema Greifvögel. Auf seiner Internetseite www.buteobuteo.de veröffentlichte er heute ein Interview mit der Koordinatorin des Schreiadlerschutzprojektes Britta Gronewold. Sie erzählt, warum es der Schreiadler in Deutschland so schwer hat und was getan werden muss, damit der kleinste Adler auch bei uns eine Zukunft hat.
Wie ist die aktuelle Situation für den Schreiadler in Deutschland?
Die Anzahl der Schreiadler ist im letzten Jahrzehnt stark zurück gegangen. Im letzten Jahr waren es gerade mal 102 Paare, die in Deutschland gebrütet haben. Davon leben etwa 80 in Mecklenburg-Vorpommern, die übrigen in Brandenburg. 2008 waren in MV 81 Schreiadlerreviere besetzt, aber es sind nur 50 Jungvögel groß gezogen worden.
Welche Lebensraumansprüche hat der Schreiadler?
Schreiadler sind sehr empfindliche Vögel. Zum Brüten benötigen sie einen möglichst störungsfreien Lebensraum. Dabei bevorzugen sie eine abwechslungsreiche Laubwaldlandschaft mit eingestreuten Feuchtflächen wie Wiesen und Erlenbruchwäldern. Neben dem Brutlebensraum spielen die Flächen zur Nahrungssuche eine wichtige Rolle. Hierfür benötigt der Schreiadler Wiesen und Moore. Wichtig ist, dass die Vegetation nicht zu hoch ist. Darum müssen die Wiesen rechtzeitig zur Jungenaufzucht gemäht sein. Natürlich kommen auch Äcker als Nahrungslebensraum in Frage. Doch sind diese vor allem später im Jahr in der Regel so dicht bewachsen, dass der Schreiadler dort keine Möglichkeit mehr findet, nach Nahrung zu jagen.
Welche Nahrung braucht der Schreiadler?
Die Nahrung der Schreiadler ist sehr vielseitig. In erster Linie fressen sie Mäuse und andere Kleinsäuger. Aber auch Frösche und Schlangen werden von den Pommernadlern gefressen.
Was bedroht den Schreiadlerbestand in Deutschland?
Was dem Schreiadler in Deutschland zu schaffen macht, ist vor allem der Mangel an geeignetem Lebensraum. Wo gibt es noch großflächige, reich strukturierte und ungestörte Laubwälder? Die Landschaft wird immer mehr zerschnitten. Die meisten Wälder werden intensiv forstwirtschaftlich genutzt. So befinden sich zahlreiche Schreiadlerhorste in Schutzgebieten, die nicht komplett entwässert und weniger intensiv genutzt sind.
Die imposanten Seeadler sind in der Bevölkerung viel bekannter als Schreiadler. Ist es wichtig für den Schutz des Schreiadlers mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen?
Sicherlich! Viele Menschen kennen den Schreiadler gar nicht und wissen demzufolge auch nicht, welch eine Besonderheit es ist, mal einen zu Gesicht zu bekommen. Dennoch möchten wir keine groß angelegten Schreiadlersafaris anbieten. Dazu ist der Vogel einfach zu empfindlich. Bereits die kleinste Störung kann dazu führen, dass ein Schreiadler sein Brutrevier verlässt und nie mehr zurückkehrt. Stattdessen setzen wir auf Informationsarbeit in Form von Faltblättern, Zeitungsartikeln und unserer Internetseite www.schreiadlerschutz.de.
Was genau macht der NABU um den Schreiadler in Deutschland zu schützen?
Neben der eben schon angesprochenen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit versuchen wir für den Schreiadler wertvolle Flächen zu kaufen, um sie dauerhaft für den Naturschutz zu sichern. Ein Beispiel ist das Naturschutzgebiet Griever Holz in der Nähe von Rostock. Dort brütet seit vielen Jahren ein Schreiadlerpaar. Dem NABU Mecklenburg-Vorpommern gehören mittlerweile etwa die Hälfte des 200 ha großen Schutzgebietes. Wenn uns die Flächen gehören, können wir auch damit machen, was wir wollen. Das heißt wir können die Flächen einfach sich selbst überlassen. So kann sich langfristig ein schöner natürlicher Laubwald entwickeln. Darüber hinaus sollen im nächsten Jahr große Bereiche des Griever Holzes wiedervernässt werden.
Welche anderen Arten profitieren von den Schutzmaßnahmen, z.B. im Griever Holz?
Natürliche alte Laubholzwälder bieten natürlich nicht nur dem Schreiadler, sondern einer Vielzahl anderer Arten einen idealen Lebensraum. So kommen im Griever Holz bereits Schwarz- und Mittelspecht, Hohltaube, Baumfalke und Kranich vor. Eigentlich müsste auch der Schwarzstorch sich in diesem Lebensraum wohlfühlen, aber er hat sich bisher nur als Besucher sehen lassen. In die Höhlen der Spechte ziehen Nachmieter wie Fledermäuse oder der Siebenschläfer ein. Die feuchten Bereiche bieten vielen Amphibien Platz zum Leben. Und die kleinen Waldmoore sind Standorte für eine Vielzahl seltener Pflanzenarten.
Private Naturschutzverbände alleine können den Schreiadler in Deutschland nicht retten. Was müssen Staat und ggf. Gesellschaft tun um die Art zu erhalten.
Generell müsste der Staat dem Naturschutz viel mehr Gewicht verleihen. Aber Naturschutz bringt erstmal kein Geld. Für den Staat bedeutet Wald zu schützen auf Einnahmen aus der Forstwirtschaft zu verzichten. Dabei haben wir alle eine Verantwortung für kommende Generationen. Und spätestens seit der Klimawandel-Diskussion müsste man doch erkannt haben, dass sich auch Natur in einen finanziellen Wert umrechnen lässt. Dass Wälder CO2-Senken sind, ist dabei nur ein kleines Beispiel. Immerhin sollte bis 2010, also nächstes Jahr, der Rückgang der Artenvielfalt gestoppt werden - ein europaweites Ziel, zu dessen Erfüllung es mit hunderprozentiger Sicherheit nicht mehr kommen wird.
Was muss auf internationaler Ebene passieren?
Für den Schutz der Schreiadler spielt die internationale Ebene eine sehr große Rolle. Schreiadler sind Zugvögel, die den europäischen Winter in der ostafrikanischen Savanne südlich des Äquators verbringen. Leider gibt es immer noch Regionen auf dem Zugweg, in denen intensive Vogeljagd betrieben wird. So ist auch dieses Jahr im Frühjahr wieder ein besenderter Schreiadler im Nahen Osten ums Leben gekommen. Und die besenderten Vögel sind natürlich nur die Spitze des Eisbergs. Neben dem eigentlichen Zugweg spielt natürlich auch das Überwinterungsgebiet selbst eine Rolle. Wie sind die Bedingungen dort? Darüber ist kaum etwas bekannt.
Was war Dein schönstes Schreiadler Erlebnis?
Mein schönstes Schreiadler-Erlebnis war auf einer Führung durch das Griever Holz an einem sonnigen Spätsommertag. Der Jungvogel war schon groß und mit einem Elternvogel unterwegs. Wir konnten die beiden bestimmt 20 Minuten in Ruhe beobachten, wie sie über uns hinwegflogen, ihre typischen tjück-Rufe von sich gaben und einen Mäusebussard verjagten. So toll habe ich noch keinen Schreiadler wieder gesehen.