Wer filtriert denn da?
Die Gemeine Bachmuschel
Sommer, Sonne, Fließgewässer. Was braucht es mehr für eine schöne Paddeltour − zum Beispiel auf der Warnow? Lautlos über das Wasser gleiten, im Gleichtakt die Paddel eintauchen und einfach mal den Gedanken freien Lauf lassen. Spätestens, wenn der Paddelpartner hinter einem ruckartige Bewegungen vollführt und das Boot dramatisch hin und her wackelt, beginnt es im Kopf wieder zu arbeiten. Was schwimmt, schwebt und filtriert da eigentlich unter mir? Jetzt werden Sie sagen: "Fische, Schnecken, Blutegel...". Vielleicht fallen Ihnen auch noch Flohkrebse und Köcherfliegenlarven ein. Aber wussten Sie, dass in den Fließgewässern Mecklenburg-Vorpommerns noch ein wahres Naturjuwel von internationaler Bedeutung zu Hause ist?
Empfindliche Filtrierer
Die Gemeine Bachmuschel − Wissenschaftler nennen sie Unio crassus − lebt in schnell fließenden Bächen und Flüssen. Sie ernährt sich von Plankton und feinsten organischen Schwebeteilchen, die sie aus dem Wasser filtert. Ihre Lebensraumansprüche und eine komplizierte Fortpflanzungsweise machen die Bachmuschel besonders empfindlich gegenüber Umweltveränderungen. Europaweit sind die Bestände der Bachmuschel um 90 Prozent zurückgegangen. Ursachen sind neben der schlechten Wasserqualität und dem Eintrag von Abwässern, Gülle, Düngestoffen sowie Pflanzenschutzmitteln der Ausbau und die von Flussläufen.
Das ovale Gehäuse der Gemeinen Bachmuschel ist etwa fünf bis sieben Zentimeter lang, in seltenen Ausnahmen auch über zehn Zentimeter. Die Tiere sind bräunlich oder schwarz, teilweise auch grünlich. Oft sind die Schalen durch das Leben im Bach mit Kalk oder schwarzem Eisen-Mangan überzogen. Der Weichkörper der Bachmuschel ist hell. Mit der vorderen Gehäuseseite ist sie in den Untergrund eingegraben. An der anderen Seite ragen Ein- und Ausströmungsöffnung ins Wasser. Aus der Unterseite kann sie zwischen den Klappen ihren Fuß zur Fortbewegung herausstrecken. Für eine Muschel ist Unio crassus eine ausgesprochen langlebige Art. Sie kann bei uns über 30 Jahre alt werden, in den kälteren Gewässern Nordeuropas sogar bis zu 90 Jahre.
Tausende Geschwister
Im Alter von drei bis vier Jahren und mit einer Größe von zwei bis vier Zentimetern wird die Bachmuschel fortpflanzungsfähig. Bis dahin ist es aber ein komplizierter und gefahrenvoller Weg. Im Frühjahr und Frühsommer nehmen die Muschelweibchen zur Fortpflanzungszeit die Spermien der Männchen mit dem Atemwasser auf. So werden die Eier befruchtet. In den Kiemen des Weibchens entwickeln sich dann die Muschellarven, auch Glochidien genannt. Diese stößt die Mutter später einzeln oder in größeren Paketen ins Wasser ab. Forscher fanden heraus, dass während einer Fortpflanzungsperiode 1.000 bis 56.000 Larven von einem Bachmuschel-Weibchen ausgestoßen werden.
Die nun frei im Wasser schwebenden Larven sind gerade mal ein Fünftel Millimeter groß. Sie sind darauf angewiesen, innerhalb weniger Tage von einem Fisch aufgeschnappt zu werden, um sich in seinen Kiemen mit Haftfäden und kleinen Häkchen festzusetzen. Die Muschellarven durchleben nun an ihrem Wirtsfisch eine parasitäre Phase. Nach vier bis sechs Wochen fallen sie dann ab und wandeln sich zu Jungmuscheln um. Diese wandern für teils mehrere Jahre in die Gewässersohle. Sobald sie eine Länge von einem Zentimeter erreicht haben, kommen sie wieder an die Oberfläche und richten sich wie die erwachsenen Tiere aus.
Jungmuscheln ersticken
Deutschlandweit gilt die Bachmuschel als vom Aussterben bedroht. Eingriffe in die Fließgewässer sowie Überdüngung und vermehrter Schwebstoffeintrag führen zur Verstopfung der Sand- und Kieszwischenräume in der Gewässersohle und Sauerstoffmangel, so dass die Jungmuscheln dort absterben. Fast alle noch bestehenden Bachmuschelvorkommen sind deswegen hoffnungslos überaltert, Jungmuscheln kommen kaum noch hoch. Nur mit großer Anstrengung und gezielten Maßnahmen besteht noch eine Chance, die letzten Bachmuschel-Vorkommen zu erhalten. Die EU hat Unio crassus deshalb als besonders geschützte Art in die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) aufgenommen. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, für die Bachmuschel Schutzprogramme zu entwickeln und spezielle Schutzgebiete auszuweisen.
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