Pestizide belasten Gewässer in Mecklenburg-Vorpommern
Umweltverbände und Grüne legen gemeinsame Studie vor
Im Ergebnis der Untersuchung von 15 Kleingewässern im Zeitraum September/Oktober 2014 wurden in zwölf Kleingewässern insgesamt zehn chemische Substanzen aus Pflanzenschutzmitteln in teils kritischen Konzentrationen festgestellt. An der Spitze der Nachweise auch hier das von der WHO als potentiell krebserregend eingestufte Glyphosat und sein Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA).
Verbunden mit Veröffentlichung sind Forderungen an die Landesregierung, die Kleingewässer effektiv vor Einträgen mit wassergefährdenden Stoffen zu schützen und ihre zunehmende Beeinträchtigung und Zerstörung zu stoppen.
Gewässer vor Chemikalien schützen
Dr. Ursel Karlowski, umwelt- und agrarpolitische Sprecherin der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion:
„Mit unserer Studie fanden wir in den Gewässern am häufigsten den Wirkstoff Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA. Pestizide haben aber in den Gewässern des Landes nichts zu suchen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass Glyphosat und Co. verschiedene Wasserorganismen schädigen. Und obwohl dies bekannt ist, unternimmt die aktuelle Landesregierung zu wenig, um die Gewässer vor den gefährlichen Chemikalien zu schützen. So erlaubt sie die Ausbringung von synthetischen Pflanzenschutzmitteln selbst in nach EU-Recht geschützten Naturschutzgebieten, den so genannten Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebieten. Außerdem gilt in Mecklenburg-Vorpommern ein nur sehr geringer Mindestabstand für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln an Gewässern von gerade einmal einem Meter. Er betrug ursprünglich 7 Meter. Um die Pestizideinträge zu reduzieren, fordern wir eine Novellierung des Landeswassergesetzes mit der Festsetzung weit größerer Pufferstreifen an Gewässern von bis zu 50 Metern. Noch mehr Wirkung versprechen wir uns allerdings durch bundesweit einheitliche Sonderabgaben auf Pflanzenschutzmittel. Die so gewonnenen Mittel sollten im Agrarsektor verbleiben und hier für den Schutz der Artenvielfalt, für den Schutz von Gewässern und Böden eingesetzt werden.“
Die Umweltverbände BUND, NABU und Landesanglerverband betonen die besondere Verantwortung der Landesregierung, insbesondere in nach EU-Recht festgelegten Schutzgebieten (Flora-Fauna-Habitat-Gebieten) die biologische Vielfalt zu erhalten.
Naturschutz in FFH-Gebieten gewährleisten
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin des BUND:
„Kleingewässer, die so genannten Sölle, sind wichtige Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten in einer überwiegend industriell und intensiv genutzten Agrarlandschaft. Sie bilden den eigentlichen Schutzgegenstand in großen FFH-Gebieten, zum Beispiel im FFH-Gebiet "Kleingewässerlandschaft südlich von Kröpelin". Wenn selbst in diesen Gebieten Giftstoffe aus der Landwirtschaft in die Gewässer gelangen, dann ist Naturschutz hier nicht gewährleistet. Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist aber der eigentliche Zweck des europäischen Schutzgebietssystems NATURA 2000, zu dem die FFH-Gebiete gehören.
Die Europäische Kommission wird sich das nicht auf Dauer anschauen und Fördermittel zurückfordern. Schließlich fließen EU-Fördermittel in Millionenhöhe nach Mecklenburg-Vorpommern, um FFH-Gebiete naturschutzgerecht zu entwickeln. Wir fordern, dass die Landesregierung die ökologisch wichtigen Kleingewässer durch entsprechende landesrechtliche Vorschriften vor giftigen chemischen Substanzen schützt.“
Dr. Rica Münchberger, Landesgeschäftsführerin des NABU, verweist auf besonders empfindliche Amphibienarten, die in den Kleingewässern der Agrarlandschaft ihren Hauptlebensraum finden:
„Rotbauchunke und Kammmolch haben europaweit in Mecklenburg-Vorpommern einen ihrer Verbreitungsschwerpunkte. Diese Amphibienarten reagieren aber nachweislich sehr empfindlich auf chemische Substanzen aus Pflanzenschutzmitteln. Insbesondere das mit unserer Studie am häufigsten gefundene Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA schädigen Amphibien. Es kommt zu Fehlbildungen bei den Larven, zur Beeinträchtigung des Hormonhaushaltes und der Immunabwehr. Eine Studie der Universität Landau erbrachte sogar die Erkenntnis, dass die in der Landwirtschaft verwendeten Pestizide, selbst wenn sie in den amtlich erlaubten Dosierungen ausgebracht werden, bis zu 100 Prozent der Amphibien töten. Deshalb brauchen wir in FFH-Gebieten entweder das Verbot von synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die weitgehende Etablierung des ökologischen Landbaus, der auf synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet oder die Ausweisung wirksamer Pufferzonen an Gewässern über entsprechende Festlegungen im Landeswassergesetz. Ohne diese Maßnahmen werden die Bestände von Rotbauchunke, Kammmolch und anderen Amphibien weiter abnehmen.“
Kleingewässer der Agrarlandschaft werden nicht selten in Mecklenburg-Vorpommern durch Angelvereine betreut und beangelt. Fische stehen am Ende der aquatischen Nahrungskette. Deshalb können sich auch in ihnen Schadstoffe, die in Gewässer eingetragen werden, anreichern. Der Landesanglerverband hat aus diesem Grund seit jeher ein Interesse, dass die Gewässer frei von chemischen Substanzen bleiben.
Kleingewässer in amtliches Gewässermonitoring einbeziehen
Prof. Dr. Brillowski, Präsident des Landesanglerverbandes:
„Mit unserer heute veröffentlichten Studie zeigen wir erstmals auf, dass die Kleingewässer der Agrarlandschaft, ebenso wie Fließgewässer und Seen, in Mecklenburg-Vorpommern durch Pflanzenschutzmittel beeinträchtigt werden. Die Landesregierung weigert sich jedoch bisher beharrlich, die Kleingewässer ebenso wie die anderen Gewässertypen im Rahmen eines regelmäßigen Monitorings zu beproben. Dadurch hat sie selbst überhaupt keinen Überblick über die gefährlichen Einträge in den ökologisch wichtigen Gewässertyp. Wir fordern die Landesregierung auf, den Empfehlungen des Umweltbundesamtes nachzukommen und Kleingewässer in das amtliche Gewässermonitoring einzubeziehen. Anderenfalls fehlen dringend benötigte Daten über die Gesamtsituation der Belastung, die für den Schutz der menschlichen Gesundheit und den Erhalt der biologischen Vielfalt unabdingbar sind.“
Angesichts neuer Erkenntnisse über Rückstände des Wirkstoffes Glyphosat in Futtermitteln sind Prüfungen entlang der Nahrungskette dringend erforderlich. Die Analysen sind alarmierend. Ein Risiko für die Gesundheit der Menschen ist noch nicht ausgeschlossen. Mehr →