Rettung für seltene Bodenbrüter in letzter Minute
Verwaltungsgericht Schwerin verhängt Baustopp bis zum Ende der Brutzeit
18. Juli 2017 – Das Verwaltungsgericht Schwerin hat gestern einen Baustopp für die Baumaßnahmen auf einer Fläche im Industriepark Schwerin, Göhrener Tannen, erlassen, auf der sich nachweislich über 40 Brutreviere seltener Vogelarten befinden. Die dortigen Munitionsbergungsarbeiten müssen bis zum Ende der Brutzeit, mindestens bis zum 31. Juli 2017, ausgesetzt werden. Damit folgt das Gericht einem Antrag des NABU Mecklenburg-Vorpommern, der zunächst auf direktem Wege im Gespräch mit den Verantwortlichen der Landeshauptstadt auf den Verstoß gegen geltendes Artenschutzrecht aufmerksam gemacht hatte, um einen sofortigen Stopp der Munitionsbergungsarbeiten zu erreichen. „Leider gab es von Seiten der verantwortlichen Behörde, dem Dezernat III – Wirtschaft, Bauen und Ordnung, und dessen Leiter Bernd Nottebaum keine positive Entscheidung, so dass die Bauarbeiten bis Anfang dieser Woche ungehindert weiter stattfinden konnten. Dabei ist vermutlich bereits ein Teil der Nester, Gelege und Jungvögel der seltenen Bodenbrüter, wie Feldlerche, Braun- und Schwarzkehlchen, zerstört worden“, so NABU-Landesgeschäftsführerin Dr. Rica Münchberger. „Wir haben deshalb beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung eines Baustopps wegen des Verstoßes gegen § 44 (1) des Bundesnaturschutzgesetzes eingereicht, wonach es verboten ist, wild lebende Tiere zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen zu beschädigen oder zu zerstören“, so Dr. Münchberger weiter. „Die Rechtslage ist eindeutig, so dass die Entscheidung des Gerichtes zu erwarten war. Wir bedauern, dass es erforderlich wurde, auch in diesem Fall gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die damit verbundenen Kosten hätte sich die Stadt durch Beachtung der geltenden Vorschriften des Artenschutzes sparen können, zumal es bereits im Vorfeld entsprechende Einschätzungen der Unteren Naturschutzbehörde gab.“
Hintergrund:
Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) der Stadt Schwerin als zuständige Genehmigungsbehörde hatte bereits im Februar 2017 eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Munitionsbergungsarbeiten als Baufeldvorbereitung erteilt, diese jedoch an die Auflage geknüpft, dass die Munitionsbergung bereits vor der Brutzeit zu erfolgen hat. Falls dieser Termin nicht gehalten werden kann und zeitliche Verzögerungen eintreten, wurde die Auflage erteilt, dass Brutvögel durch entsprechende Vergrämungsmaßnahmen von der Fläche ferngehalten werden, um sie am Brüten auf der besagten Fläche zu hindern. Dies sollte fachkundig begleitet werden, wurde jedoch versäumt, so dass sich in der Zwischenzeit mindestens 43 Brutpaare verschiedener gefährdeter Vogelarten ansiedeln konnten.
Um die verzögerten Arbeiten dennoch aufnehmen zu können, stellte der Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Schwerin Ende Juni 2017 einen ergänzenden Ausnahmeantrag bei der Unteren Naturschutzbehörde. Diese stellte jedoch klar, dass ein kurzfristiger Beginn der Arbeiten während der Brutzeit artenschutzrechtlich nicht vertretbar sei, stellte aber eine Ausnahmegenehmigung für Anfang August, nach Ende der Brutzeit, in Aussicht. Dies war dem Antragsteller offenbar nicht genug, so dass der Leiter des Dezernats III – Wirtschaft, Bauen und Ordnung, Bernd Nottebaum, diese artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung kurzerhand selbst erteilte.
Nach Ansicht des NABU gab es durchaus zumutbare Alternativen, zumal es sich bei der Aussetzung der Arbeiten bis zum Ende der Brutzeit lediglich um wenige Tage bis Wochen handelt. „Dieser kurze Zeitraum rechtfertigt nicht das Töten einer erheblichen Anzahl geschützter Vögel. Für diese geringfügige Verzögerung dürften „zwingende Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses“ nicht ins Feld geführt werden“, so Münchberger. „Die Munitionsberäumung hätte längst stattfinden können. Nun kommt es auf ein paar Tage mehr auch nicht an.“
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