Von Früchten und Samen
Die unterschiedlichen Vermehrungsstrategien von Gehölzen
Ob ein Baum überhaupt eine Frucht ausbildet, hängt mit seinem Blütenaufbau zusammen. Dass tatsächlich alle Bäume blühen, ist vielen Menschen dabei gar nicht bewusst. Bei einem Apfelbaum, einer Linde oder einer Kastanie ist es offensichtlich. Ihre Blüten sind wunderschön und duften oft herrlich. Doch auch Eichen, Buchen, Birken und Erlen blühen – häufig zum Leidwesen vieler Allergiker. Da ihre Blüten jedoch nicht von Insekten, sondern vom Wind bestäubt werden, haben sie es nicht nötig, viel Energie in eine schöne und gut duftende Blüte zu stecken, um die Insekten anzulocken. Sie investieren lieber in sehr viel Pollen, denn natürlich ist der Wind lange nicht so zuverlässig bei der Bestäubung wie es Insekten sind.
Außerdem bilden diese Bäume häufig große Wälder, sodass der nächste Baum meist nicht fern ist und der Zufall es schon richtet. Bei einer Bestäubung der Blüten, die auf Insekten angewiesen ist, hätten diese Bäume das Problem, dass zur Blütezeit niemals ausreichend Insekten da wären, um all die Bestäubungsarbeit zu schaffen. Die Insekten wiederum hätten zwar in einem Buchenwald einmal im Jahr für wenige Wochen ein Festessen, den Rest des Jahres aber müssten sie hungern.
Unter den Bäumen, die vom Wind bestäubt werden, gibt es eine große Gruppe an Pflanzen, die keine Früchte ausbilden, da ihre Samenanlagen nicht von einer Fruchthülle umgeben sind. Zu ihnen gehören unter anderem die auch als Koniferen bezeichneten Nadelbäume und die Ginkgopflanzen. „Konifere“ heißt wörtlich übersetzt „Zapfenträger“ und beschreibt die Form der blüten- und später samentragenden Organe. Die Koniferen stellen eine artenreiche Gruppe innerhalb der Nacktsamer dar, während der Ginkgo heute als einziger Vertreter seiner Gruppe erhalten ist. Der Ginkgo hat darüber hinaus die Besonderheit, eine zweihäusige Art zu sein. Das bedeutet, dass der Baum entweder nur männliche oder nur weibliche Blüten trägt.
Der Pollen des männlichen Ginkgos kann jedoch mehrere Kilometer weit fliegen, um die Blüten des weiblichen Baumes zu bestäuben. Obwohl sie zu den Nacktsamern gehören, wird der Same von einer weichen, fleischigen Hülle umgeben. Es handelt sich dabei um eine Scheinfrucht, bei der die äußere Samenhülle fleischig ausgeprägt ist und nicht trocken und pergamentartig wie bei den Koniferen. Diese Fruchthülle verbreitet vor allem bei der Zersetzung einen sehr starken, buttersäureartigen Gestank - ein perfekter Fraßschutz. Aufgrund seiner Attraktivität und Resistenz gegen schädliche Umwelteinflüsse, zum Beispiel Autoabgase, wird der Ginkgo häufig als Zierbaum in Städten und an Straßen gepflanzt. Aus ersichtlichem Grund werden dabei jedoch stets aus Stecklingen vermehrte, männliche Bäume genutzt.
Tiere verbreiten die Samen
Das Gegenstück zu den Nacktsamern sind die Bedecktsamer. Ihre Samenanlagen sind in den sogenannten Fruchtknoten eingeschlossen. Dieser wächst nach erfolgreicher Bestäubung der Blüte zur eigentlichen Frucht aus, in deren Innerem sich entweder ein einzelner Same befindet, z.B. bei den Steinfrüchten wie Kirsche, Pflaume und Pfirsich, oder auch viele Samen, wie bei den Kernfrüchten wie Apfel und Birne.
Die ungeheure Vielfalt an Sorten ist bei den Obstbäumen durch jahrhundertelange Züchtung entstanden. Die Wildformen der Obstbäume haben meist nur kleine, oft sehr sauer oder bitter schmeckende Früchte. Den Wildtieren schmecken sie dennoch und das sollen sie auch. Denn wie schon die Tiere für die Bestäubung der Blüten zuständig waren, sollen auch Tiere - meist Vögel - die Verbreitung der Samen übernehmen.
Oftmals sind die Früchte, wenn sie reif sind, leuchtend gefärbt, sodass sie schon aus weiter Entfernung gut sichtbar sind. Je nach Jahreszeit der Reife dominieren unterschiedliche Farbtöne. Früchte, die im Sommer reif sind, wie Kirschen oder die Beeren des Schneeballs, sind häufig rot gefärbt - ein guter Kontrast zum grünen Laub. Früchte, die im Herbst reifen, wie Schlehe oder Holunder, sind häufig dunkelviolett und heben sich damit gut vom gelben oder roten Herbstlaub ab.
Eine Besonderheit ist das Pfaffenhütchen. Die Frucht ist auffällig rosarot. Zur Samenreife öffnet sie sich und lässt den Samen heraushängen. Dieser ist mit einem leuchtend orange gefärbten Mantel, dem sogenannten Arillus umgeben, der äußerst nahrhaft ist und vor allem bei Rotkehlchen beliebt ist. Ein kleiner Tipp also: Wer gern Rotkehlchen im Garten beobachten möchte, der sollte ein Pfaffenhütchen pflanzen! Häufig ist der Speiseplan der Vögel im Sommer und Herbst allerdings noch reichlich mit fetten Insekten gedeckt, sodass die Früchte erst im Winter gefressen werden.
Die Samen landen beim Verspeisen der Frucht meist mit im Verdauungstrakt eines Tieres und werden wenig später, zusammen mit einer guten Portion Dünger, an einer hoffentlich guten Stelle zum Wachsen wieder abgelegt. Die Magensäure der Tiere überstehen die Samen dabei unbeschadet. Im Gegenteil: Es gibt sogar Samen, deren Schale so hart ist, dass sie gar nicht keimen, wenn sie nicht vorher den Verdauungstrakt eines Tieres durchlaufen haben und dort „mürbe gemacht“ wurden. Wie der Nektar einer Blüte die Belohnung für den Bestäuber darstellt, ist also das Fruchtfleisch um die Samen die Belohnung für die Verbreitung der Samen.
Im Falle der Nussfrüchte, zu denen Haselnuss, Esskastanie, Erdnuss und - nach neueren Erkenntnissen - auch die Walnuss gehören, ist die Fruchthülle nicht saftig und fleischig, sondern trocken und verholzt. Hier wird der Same meist nicht im Ganzen verspeist, sondern landet zerkleinert im Verdauungstrakt eines Tieres, sodass die Vermehrung des Baumes nicht mehr stattfinden kann. Doch auch Nussfrüchte haben ihre Vorteile. In der freien Natur legen sich Tiere wie Eichhörnchen oft unterirdische Vorräte aus Nussfrüchten an. Meist finden sie nicht alle der vergrabenen Nüsse wieder, sodass diese dann, tief in schützender Erde abgelegt, im nächsten Jahr keimen und wachsen können.
Mehr Zum Projekt
Der NABU widmet sich in einem aktuellen Projekt intensiv dem Schutz und der Verbesserung der Lebensräume in ausgewählten Gebieten. Über deren Besonderheiten sowie Maßnahmen zu Erhalt und Verbesserung berichten wir hier. Mehr →