Mykorrhiza
Vom Wechselspiel zwischen Bäumen und Pilzen
Die Mykorrhiza bezeichnet demnach ein Zusammenspiel aus einem Pilzgeflecht und den Wurzeln einer Pflanze. Hier arbeiten zwei Organismen, die nicht der gleichen Art angehören, zusammen - eine sogenannte Symbiose. Aber was haben die beiden eigentlich davon? Die Antwort ist ebenso einfach wie spannend. Pflanzen besitzen die Eigenschaft, mithilfe des Blattgrüns die Energie des Sonnenlichts zu nutzen, um den Kohlenstoff aus der Luft mit dem Wasser aus dem Boden in nahrhafte Kohlenhydrate umzuwandeln. Pilze sind hierzu nicht in der Lage, weil ihnen das Blattgrün fehlt. Jedem, der im Herbst schon einmal einen „Pilz“ aus dem Boden hat sprießen sehen, leuchtet das ein. Oft werden Pilze als Pflanzen angesehen, weil sie sich ja nicht bewegen können. Sie bilden jedoch unter den Lebewesen ein eigenes Reich und sind sogar enger mit Tieren als mit Pflanzen verwandt.
Leben im Verborgenen
Landläufig versteht man unter „Pilz“ das, was man beim Pilze sammeln in den Korb legt, um es zu verspeisen. Dieser Teil ist jedoch nur der Fruchtkörper des eigentlichen Pilzes. In ihm befinden sich zahllose Sporen, die vom Winde verweht werden und so die Verbreitung des Pilzes über große Entfernungen ermöglichen.
Der Körper des Pilzes ist unter der Erde verborgen und besteht aus unzähligen hauchfeinen, vielfach verzweigten Fäden, den sogenannten Mycelien. Mit diesen umspinnt der Pilz die Pflanzenwurzeln und dringt sogar in sie ein, um gleichsam etwas von der Nahrung abzuzapfen, die die Pflanze gebildet hat.
Auf den ersten Blick sieht das natürlich aus, als wäre der Pilz ein reiner Schmarotzer. Aber weit gefehlt! Durch das Pilzgeflecht vergrößert sich die Oberfläche der Pflanzenwurzel bis zu 1000fach, und sie ist nun viel besser in der Lage, Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen. Darüber hinaus können die freien Fäden des Pilzmycels den Boden viel gründlicher durchdringen als es die Wurzeln der Pflanze könnten und somit die Versorgung der Pflanzenwurzel weiter optimieren. Daher können Pflanzen in Partnerschaft mit einem Pilz auch sehr trockene und nährstoffarme Standorte besiedeln, auf denen sie allein nicht gedeihen könnten. Außerdem nimmt man an, dass diese „zweite Haut“ die Pflanzenwurzel auch vor Krankheitserregern schützt. Abgesehen davon, dass eine gut genährte und damit gesunde Pflanze sich ohnehin besser gegen schädliche Einflüsse wehren kann. So werden auch hohe Salzkonzentrationen im Boden von der Pflanze besser ertragen, wenn Sie in einer Pilz-Partnerschaft lebt. Man kann also sagen, dass die Mykorrhiza quasi das Immunsystem einer Pflanze stärkt.
Lange Vergangenheit - kurze Zukunft?
Erdgeschichtlich ist die Mykorrhiza sehr alt und trat bereits vor 400 Millionen Jahren auf. Wissenschaftler vermuten sogar, dass die Entwicklung dieser Symbiose eine Besiedlung des Festlandes mit Pflanzen überhaupt erst ermöglicht hat. Der dauerhafte Erfolg des Modells ist derart groß, dass heute schätzungsweise über 90 Prozent der Pflanzen zur Bildung einer Mykorrhiza fähig sind - nicht nur Bäume. Auf der anderen Seite stehen über 6000 Pilzarten, die sich auf diese Weise mit einer Pflanze verbinden können. Während Pflanzen meist Gemeinschaften mit verschiedenen Pilzen eingehen können, ist der Pilz oft auf eine ganz bestimmte Pflanzenart und bei den Bäumen sogar auf ein bestimmtes Alter angewiesen. So findet man einige Arten der Mykorrhiza-Pilze nur bei Sämlingen und Jungpflanzen, andere nur bei alten Bäumen. Dabei kann ein einziger Pilz jedoch leicht mehrere Pflanzen „infizieren“ und somit sein Mycel über große Flächen ausdehnen.
Für uns Menschen hat die Mykorrhiza einen unschätzbaren Nutzen, der weit über das Verspeisen der Fruchtkörper hinausgeht und vor allem dann deutlich wird, wenn die Mykorrhiza nicht mehr funktioniert. Stirbt der Pilzpartner durch einen schädigenden Einfluss ab, leidet die Pflanze sehr darunter und stirbt meist ebenfalls. So geht die großflächige Schädigung der Wälder durch Schadstoffeinträge wie „saurem Regen“ wohl in erster Linie auf die Beeinträchtigung der Mykorrhiza durch veränderte Bodenbedingungen zurück.
Machen Sie sich bei Ihrem nächsten Waldspaziergang doch einfach einmal bewusst, welch unsichtbares Wunder sich unter Ihren Füßen gerade verbirgt. Denn wenn wir unsere Wälder schützen wollen, müssen wir in erster Linie die Mykorrhiza schützen!