Eine Welt zwischen zwei Welten
Waldränder sind schutzwürdige Lebensräume der Kulturlandschaft
Auf den Artenreichtum naturnaher Wälder und Wiesen wird immer wieder hingewiesen. Dass aber auch der Krautsaum zwischen diesen Biotopen wertvoller Lebensraum ist, wird oft vergessen. „Umso dringender weisen wir als Naturschützer darauf hin, wie schutzwürdig gerade diese Bereiche sind und setzen uns für ihren Erhalt ein“, so Anja Kureck vom NABU Mecklenburg-Vorpommern. „Immer häufiger wird ihr Wachstum durch angrenzende Äcker, Straßen oder Wohngebiete verhindert. In diesen Fällen wird der strukturreiche Waldrand nach und nach von den Bäumen des Waldes regelrecht überwachsen, naturnahe Gehölz- und Krautstreifen können sich nicht mehr ausbilden.“
Mit dem Verlust der strukturreichen Waldränder verschwindet aber nicht nur ein Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten. Ein naturnaher Waldrand ist auch ein natürlicher Schutzmantel gegen Sturmschäden. „Durch die kontinuierlich leicht ansteigende Silhouette des Waldrandes werden die Luftströme des Windes langsam nach oben hin abgeleitet. Es entstehen kaum Verwirbelungen, die Gefahr, dass Bäume bei Sturm umgeworfen werden, ist sehr gering. Ein abrupter Übergang zwischen Wald und Offenland wirkt dagegen wie eine Staumauer gegenüber dem Wind. Der Luftstrom wird plötzlich am Waldrand emporgeleitet und stößt mit den darüber liegenden, ungebremsten Luftmassen zusammen. Es entstehen heftige Turbulenzen und die Gefahr von Windwurf steigt“, erklärt die Biologin.
Extremer Artenreichtum
Als Übergangszone zwischen dem dunklen, gleichmäßig temperierten Waldkern und dem lichten, unter dem Einfluss von Wind und Temperaturschwankungen stehenden Offenland ist der Waldrand ein typischer Lebensraum der Kulturlandschaft. Bevor der Mensch im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns sesshaft wurde, war nahezu die gesamte Fläche des Landes mit Wald bedeckt. Naturbedingte Waldränder kamen nur im Grenzbereich zu waldfreien Biotopen vor, wie an Mooren, Gewässern oder Felsen. Die heute weitaus häufiger vorkommenden kulturbedingten Waldränder dagegen finden sich dort, wo eine Waldnutzung an eine Offenlandnutzung, wie Acker oder Grünland, angrenzt.
„Die Vielfalt und der Strukturreichtum des Waldrandes kann so hoch sein, dass dort mehr Pflanzen- und Tierarten vorkommen als in den beiden angrenzenden Biotopen – Wald und Offenland – zusammen. Die genaue Struktur ist dabei nicht nur von der menschlichen Nutzung abhängig, sondern vor allem von der Bodenbeschaffenheit und der Lage“, erklärt Anja Kureck. Während die Bäume im Innern des Waldes aufgrund des wenigen Lichts meist nur in großer Höhe ihre Äste besitzen, sind die Bäume des Waldmantels nach außen hin tief beastet, was als Trauf bezeichnet wird. In diesem Bereich finden sich oft auch zahlreiche alte oder tote Bäume, auf die viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten dringend angewiesen sind. Der vorgelagerte Strauchgürtel schirmt den Wald gegen das Freiland ab. Hier siedeln sich neben Jungpflanzen der Waldbaumarten zahlreiche Sträucher wie Weißdorn, Schlehe, Pfaffenhütchen oder Kreuzdorn an. Danach folgt der Krautsaum, ein Streifen aus Gräsern und Stauden. In ihm sind oft auch die Arten des angrenzenden Biotops des Offenlandes, sei es eine Wiese, ein Moor oder eine Heidefläche, eingestreut. Findet angrenzend eine Ackernutzung statt, wird dieser Bereich zudem oft als Ablagefläche für Lesesteine genutzt, wodurch besonders an südexponierten Waldrändern wertvolle Sonnplätze für Reptilien wie Ringelnattern und Zauneidechsen geschaffen werden.
Der NABU setzt sich dafür ein, diese schutzwürdigen Lebensräume zu erhalten, etwa durch das Anlegen von ausreichend breiten Ackerrandstreifen oder den Verzicht auf Rodungen des vermeintlichen Gestrüpps am Waldrand.
Dieser Beitrag wurde erstellt am 23. Mai 2013.
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