Totholz voller Leben
Abgestorbene Bäume sind Lebensgrundlage für unzählige Organismen
Stehen wir Menschen unter einer alten Buche oder Eiche kommt uns unser eigenes Leben oft kurz und vergänglich vor in Anbetracht solch scheinbar unsterblicher Baumriesen. Doch auch wenn das Leben der meisten Bäume deutlich länger währt als das von uns Menschen – ewig lebt auch eine Buche nicht. Auch bei ihr zeigen sich die Spuren des Alters. Zunächst sterben einzelne Äste ab, werden morsch und brechen. Irgendwann stirbt der ganze Baum. Dann steht oft noch viele Jahre lang der Stamm säulengleich da.
Manchmal werden auch jüngere Bäume bei starken Stürmen entwurzelt und liegen dann sterbend auf dem Waldboden. Passiert ein solcher Windwurf auf Eigentumsflächen des NABU, bekommen wir häufig Anrufe von privaten Holzwerben, die nachfragen, ob sie das Holz nicht für sich als Brennholz aufarbeiten dürfen. Dieses Ansinnen lehnen wir stets ab und stoßen damit meist auf Unverständnis. Was es denn für einen Sinn hätte, dass eine kräftige Buche im Wald einfach so verrottet? Das sei doch Verschwendung. Außerdem sehe ein Wald, in dem viel totes Holz liegt, doch unordentlich aus. Reaktionen, die wir häufig zu hören bekommen.
Doch Verschwendung und Unordnung sind Begriffe, die die Natur nicht kennt. Totes Holz ist ein ebenso wichtiger und wertvoller Bestandteil der Waldökosysteme wie das lebende Holz. Eine Vielzahl von Lebewesen ist auf Totholz als Lebensgrundlage angewiesen. Im morschen Holz leben Myriaden an Insekten, die wiederum die Nahrungsgrundlage für viele Vögel darstellen. In das weiche stehende Totholz zimmern Spechte gern ihre Höhlen, in die dann andere Vogelarten oder auch Fledermäuse als „Nachmieter“ einziehen.
Allein 2.500 Pilzarten erschließen sich ihre Nahrung, indem sie ihr Fadengeflecht, das sogenannte Myzel, durch das luftige, morsche Holz wandern lassen und es gleichsam verdauen. Sie sind somit unverzichtbar an der Verrottung beteiligt, bei der das Holz letztlich zu nährstoffreichem Humus zersetzt wird. Auf diese Weise entsteht aus einem toten Baum fruchtbarer Waldboden, der das gesunde Wachstum der lebenden Bäume ermöglicht.
Für welche Lebewesen das tote Holz als Lebensgrundlage dienen kann, hängt stark von dessen Beschaffenheit ab. Handelt es sich um einen liegenden oder stehenden Totbaum, einen großen toten Ast an einer noch lebenden Eiche oder um die aufgeschichteten Äste und Zweige einer Biberburg? Jede Form von Totholz bietet anderen Lebewesen Nahrung und Wohnraum und ist daher unverzichtbare Grundlage für eine große Artenvielfalt im Wald.
In den modernen Wirtschaftswäldern sucht man totes Holz, liegendes wie stehendes, jedoch meist vergeblich. Mehr als ein paar abgebrochene Zweige sowie das Laub des letzten Herbstes sind am Waldboden nicht zu finden. Das liegt daran, dass die Bäume hier selten „an Altersschwäche“ sterben dürfen. Eine Buche darf nur so lange stehen, bis ihr Holz erntereif ist. Liegendes Totholz würde außerdem im Weg liegen bei der Holzernte.
Auf den Eigentumsflächen des NABU finden Eingriffe durch den Menschen jedoch nur noch vereinzelt statt, um eine Umwandlung von standortfremden Nadelholzbeständen zu Laubwäldern zu ermöglichen. Im Weiteren lassen wir der Natur hier freien Lauf, um die schier unüberschaubare Artenvielfalt, die unter anderem vom Totholz abhängt, auch für die Zukunft zu erhalten.
Mit Totholz Leben in den Garten bringen
Noch ein Tipp: Auch Sie können mit Totholz Leben in Ihren Garten bringen. Schichten Sie die Äste, die beim nächsten Obstbaum-, Hecken- oder Strauchschnitt anfallen, in einer Ecke des Gartens zu einem Haufen oder einer Totholzhecke auf. Es wird nicht lang dauern, bis Sie zahlreiche Vogelarten – z.B. Amsel, Zaunkönig und Rotkehlchen – beobachten können, die in der Hecke Schutz und Nistmöglichkeit finden. Auch von Igeln und Erdkröten, die ein Quartier zum Überwintern suchen, werden solche Habitate gern angenommen. Als Dank werden diese Tiere dafür sorgen, dass Sie in Ihrem Garten die ein oder andere Schnecke oder Steckmücke weniger haben.
Mehr informationen
Wer im Vorfrühling einen Waldspaziergang macht, wird fast zwangsläufig das Trommeln der Spechte hören. Dieses Geräusch macht dem Naturfreund klar, dass der Frühling im Anmarsch ist. Es ersetzt beim Specht den Gesang der Singvögel. Mehr →
Ein besonders schützenswertes Gebiet ist das Griever Holz. Schreiadler und Kraniche finden hier eine Heimat. Um diesen Lebensraum dauerhaft zu schützen, wird im Griever Holz ein Großteil des Laubwaldes komplett aus der Nutzung genommen. Mehr →
In seinem Grundsatzpapier legt der NABU Mecklenburg-Vorpommern Maßgaben zur Art und Weise der Holznutzung, zur Eingriffshäufigkeit und -intensität auf Eigentumsflächen des NABU MV fest. Mehr →