Trommelnde Höhlenbauer
Baumhöhlen der Spechte sind Unterschlupf für viele Tiere
Wer im Vorfrühling bei bestem Wetter einen Waldspaziergang macht, wird fast zwangsläufig das Trommeln der Spechte hören. Dieses Geräusch macht dem Naturfreund klar, dass der Frühling im Anmarsch ist. „Das Trommeln ersetzt beim Specht den Gesang der Singvögel und dient der Balz und Reviermarkierung“, weiß Ulf Bähker vom NABU Mecklenburg-Vorpommern.
„Dabei denken viele Menschen, dass die Spechte beim Trommeln ihre Höhlen bauen. Das ist jedoch ein Irrtum, den der Beobachter sofort erkennt, wenn er zum Beispiel einen Buntspecht an einem dürren, vertrockneten Ast beim Trommeln beobachtet.“ Der Ast wird lediglich als Resonanzkörper für einen guten Klang gebraucht. So ist das Trommeln der Spechte auch über weite Entfernungen gut hörbar. Höhlen werden hingegen mit heften Schlägen regelrecht ins Holz gemeißelt.
Übrigens können die bei uns vorkommenden Spechtarten anhand ihrer Lautäußerungen mit ein wenig Übung gut unterschieden werden. So sind die Trommelwirbel des etwa krähengroßen Schwarzspechts lauter und länger als die von Buntspecht, Kleinspecht & Co. Der Grünspecht trommelt hingegen nur sehr selten und dann sehr schwach. Mittelspechte ersetzen das Trommeln fast vollständig durch ihren markanten quäkenden Ruf.
Eine Besonderheit gibt es beim Wendehals, einer ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern brütenden Spechtart. Er ist der einzige echte Zugvogel unter den Spechten und überwintert im zentralen Afrika. „Wendehälse trommeln nicht und bauen auch keine eigenen Höhlen“, so NABU-Vogelexperte Ulf Bähker. „Deshalb ist er, wie viele andere Höhlenbrüter, auf das Vorkommen natürlicher Baumhöhlen oder auf das Vorhandensein von Spechthöhlen angewiesen.“
Der Körperbau der Spechte ist perfekt an die Lebensweise angepasst. „Normalerweise haben Vögel drei Vorder- und eine Hinterzehe. Bei den Spechten dagegen zeigen jeweils zwei Zehen nach vorne und zwei nach hinten. So finden sie besseren Halt beim Klettern“, erklärt Ulf Bähker. Dabei werden sie durch den sogenannten Stützschwanz, das sind verstärkte Steuerfedern, unterstützt. So halten sich Spechte an eine goldene Kletterregel. Diese besagt, dass beim Klettern immer drei Haltepunkte eingehalten werden müssen, um seitliches Pendeln zu vermeiden.
Auf naturnahe Wälder angewiesen
Der kräftige gerade Schnabel der Spechte eignet sich ideal zum Hacken und Meißeln. Verstärkte Halswirbel, eine ausgeprägte Halsmuskulatur und eine federnde Verbindung zwischen Oberschnabel und Hirnschädel ermöglichen den gefiederten Höhlenbauern ein Hacken und Trommeln ohne Kopfschmerzen. Eine Besonderheit ist auch die lange klebrige Zunge, mit der die Vögel Insekten fangen, sowie der typische wellenförmige Flug der Spechte.
Gerade im naturnahen Wald, mit einem hohen Alt- und Totholzanteil, gibt es ein vielfältiges Höhlenangebot. „Diese sind wichtig für viele Brutvögel, die selbst keine Höhlen anlegen können“, berichtet Ulf Bähker. So brüten zum Beispiel Kohl- und Blaumeise, aber auch Trauerschnäpper, Waldkauz und selbst die Schellente in Baumhöhlen.
Dabei bestimmt die Größe der Höhle den Nachmieter. „Meisen etwa kommen gut mit Buntspechthöhlen zurecht, während Hohltauben, Dohlen oder Gänsesäger auf die selteneren Schwarzspechthöhlen angewiesen sind. Auch der Kleiber zieht gerne in Spechthöhlen. Er kann den Eingang zu seiner Bruthöhle verkleinern, indem er diesen mit Lehm verklebt. Dadurch verhindert er zum Beispiel das Eindringen von Brutplatzkonkurrenten anderer Arten“, erklärt Bähker.
Nicht nur Vögel greifen auf das von den Spechten gezimmerte Höhlenangebot zurück. Auch staatenbildende Insekten wie Wildbienen, Wespen, Hummeln und Hornissen profitieren davon. Selbst der possierliche Siebenschläfer nutzt die Spechthöhlen in naturnahen Wäldern als Unterschlupf. Wenn man also beim nächsten Waldspaziergang einen Specht trommeln hört oder beim Innenausbau seiner Bruthöhle beobachtet, kann man daran denken, dass dieses Tier auch Lebensräume für andere Arten schafft. Mit diesem Wissen lässt sich die Beobachtung noch mehr genießen und die Schutzwürdigkeit naturnaher Wälder mit Alt- und Totholzanteilen erklärt sich fast von selbst.
Weitere INformationen
In seinem Grundsatzpapier legt der NABU Mecklenburg-Vorpommern Maßgaben zur Art und Weise der Holznutzung, zur Eingriffshäufigkeit und -intensität auf Eigentumsflächen des NABU MV fest. Mehr →