Die Schleiereule
Tyto alba - Ein Porträt
Die Schleiereule (Tyto alba) zählt gemäß Bundesnaturschutzgesetz zu den streng geschützten Arten. Auch aus Artikel 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie leitet sich ein gesetzlicher Schutz ab. Zwar wird die Schleiereule in der gültigen Roten Liste der Brutvögel Mecklenburg-Vorpommerns (von 2003) nicht als gefährdet geführt. Dennoch ist ihr Bestand nach den langen, schneereichen Wintern 2009/10 und 2010/2011 landesweit dramatisch zusammengebrochen. Experten gingen für 2012 von etwa 30 Schleiereulenpaaren im gesamten Bundesland aus.
Verbreitung und Bestand
Die Schleiereule findet in Mitteleuropa als typischer Kulturfolger in der Offenlandschaft gute Lebensbedingungen. Als ideal gilt eine durch traditionelle Landwirtschaft geprägt, offene und reich strukturierte Kulturlandschaft. Hier finden ihre Beutetiere genug Nahrung. Zudem finden sich in Dörfern und Gehöften zahlreiche Ruhe- und Brutplätze. Traditionell fanden Schleiereulen in Scheuen und Speichern auch im Winter genug Mäuse, um Zeiten mit hoher Schneedecke zu überleben. Mit Einführung der modernen, industriell geführten Landwirtschaft ist der Bestand der Schleiereule vielerorts drastisch zurückgegangen. So ist der für die Jahre 1994-98 mit 300-500 Brutpaaren geschätzte Bestand in Mecklenburg-Vorpommern auf rund 30 Paare im Jahr 2012 zurückgegangen.
Merkmale
Schleiereulen werden etwa 35 cm groß. Dabei erreichen sie eine Flügelspannweite von 90-98 cm. Männchen wiegen ca. 315 g, Weibchen ca. 340 g. Dabei legen die Weibchen in der Brutzeit deutlich zu. Die Geschlechter sehen gleich aus. Dem auffälligen, herzförmigen Gesichtsschleier verdankt die Schleiereule ihren Namen. Sie hat schwarze Augen und ein helles Gefieder. Dieses ist oberseits grau mit kleinen schwarz-weißen Flecken. Von unten sind die Eulen gelbbraun mit feinen dunkelbraunen Flecken.
Verhalten
Zur Balz- und Brutzeit halten sich Schleiereulen tagsüber am Brutplatz auf. Sobald das Gelege (4-7 Eier) komplett ist, sucht das Männchen einen eigenen Tageseinstand auf. Wenn die Jungen älter sind, sucht das Weibchen ebenfalls einen Tageseinstand, um dem Betteln der Jungeulen auszuweichen. Die adulten Eulen verbringen den Tag in getrennten Einständen.
Schleiereulen werden erst eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit aktiv. Nur zur Jungenaufzucht beginnen sie bereits in der Dämmerung mit der Jagd. Als Meister der Tarnung reagieren Schleiereulen auf Störungen zunächst mit gestreckter Tarnhaltung. Erst bei anhaltender Störung fliehen sie.
Die Schleiereulen bleiben ganzjährig im Brutgebiet. Im Winter sind sie allerdings nur selten am Brutplatz zu finden. Die Partner bleiben oft ein Leben lang zusammen.
Nahrung
Hauptbeute ist die Feldmaus. Im Gegensatz zu den meisten anderen Eulen frisst die Schleiereule auch regelmäßig Spitzmäuse. Selten erbeutet sie Kleinvögel. Ausnahmsweise stehen Lurche auf dem Speiseplan. Auch Fledermäuse und Insekten ergänzen die Nahrung. Überschüssige Beute wird gelagert, so dass am Brutplatz größere Ansammlungen erlegter Mäuse vorkommen können.
Nistplatz
Das Weibchen wählt eine geräumige, möglichst dunkle und störungsfreie Brutnische mit freiem Anflug. Gute Brutplätze bleiben dauerhaft besetzt. Da Eulen keine Nester bauen, werden die Eier in eine flache Mulde im Mulm zerfallener Gewölle gelegt.
Eier
Abhängig vom Nahrungsangebot legen Schleiereulen meist 4-7 (2-12) Eier. Die Eier sind nicht so rundlich wie bei anderen Eulenarten, sondern länglich mit stumpfen Polen. Sie sind weiß, glatt. Glanzlos und etwa 39,7 x 31,6 mm groß.
Brutverlauf
In Jahren mit gutem Nahrungsangebot wird schon ab März gebrütet. Zweitbruten gibt es dann bereits ab Mai. Normalerweise beginnt die Brutzeit Ende April bis Juni, Hauptzeit ist der Mai. Zweitbruten gibt es dann im Juli/August, selten später. Bis zum Vollgelege wird alle zwei Tage ein Ei gelegt. Das Weibchen brütet ab dem ersten Ei und wird dabei vom Männchen versorgt. Die Brutdauer beträgt 30-34 Tage.
Die Jungen schlüpfen asynchron, d.h. es gibt deutliche Größenunterschiede („Orgelpfeifen“). Die ersten 10-20 Tage werden die Jungen ständig von einem Altvogel gehudert. Im Alter von ca. 40 Tagen wandern die Jungen umher und trainieren die Flugmuskulatur („flattern“). Ab dem 60. Tag verlassen die Jungeulen trotz der Altersunterschiede fast gleichzeitig den Nistplatz. Nach weiteren 5 Wochen sind sie selbständig und verlassen das elterliche Revier.
Besonderheit: Bei sehr gutem Nahrungsangebot kommt es gelegentlich zu Schachtelbruten.
Nisthilfen
Wichtig ist die ausreichende Größe der angebotenen Nistkästen. Neue Kästen sollten 120 cm lang, 80 cm breit und 70 cm hoch sein. Die Schleiereulen nehmen zwar auch kleinere Kästen an, allerdings haben die Jungeulen dann weniger Platz um ihr Gefieder zu trainieren.
Die Einflugseite sollte der Wetterseite abgewandt sein. Freier An- und Abflug ist Voraussetzung für die erfolgreiche Annahme der Nisthilfen. Im Kasten sorgt eine Zwischenwand dafür, dass es im hinteren Bereich dunkel ist. Dort scharrt die Eule ihre Nistmulde in zertretene Gewölle. In neuen Kästen sollten grobe Hobelspäne als weicher Untergrund eingebracht werden. Bei Reinigungen ist immer eine Schicht des alten Materials im Kasten zu belassen. Dann nehmen die Eulen den Kasten besser wieder an.
Gefährdung
Abhängig vom Nahrungsangebot und schneereichen Wintern sind extreme Bestandsschwankungen bei der Schleiereule bekannt. So bricht der Bestand bei anhaltender Schneedecke zusammen, weil die Eulen unter dem Schnee keine Mäuse mehr finden können. Andererseits können sich die Schleiereulen z.B. bei Feldmaus-Massenvermehrungen wieder schnell erholen.
Daher gilt die heutige sehr intensiv geführte Landwirtschaft als Hauptgefährung. Durch Grünlandumbruch verschwinden Flächen, auf denen Feldmaus-Gradationen ablaufen können. Dafür entstehen häufig Maisfelder, auf denen für Schleiereulen nichts zu holen ist. Hecken und Sölle verschwinden aus der Landschaft. Zudem werden die landwirtschaftlichen Gebäuden die Einflüge verschlossen. Aufgrund der Ernte-Lagerung in Silos finden Eulen auch in offenen Scheunen kaum noch Mäuse. Da es heute an Straßenböschungen oftmals mehr Mäuse gibt, als in den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen, verenden mit zunehmender Tendenz viele Schleiereulen als Verkehrsopfer.
Die Extensivierung der Landwirtschaft und die Förderung traditioneller Bewirtschaftungsformen stellt, wie für viele andere Arten, auch für die Schleiereule die wirkungsvollste Schutzmaßnahme dar. Reich strukturierte Kulturlandschaft muss erhalten, oder wie neu geschaffen werden. Durch Anlage von Ödlandstreifen auf der straßenabgewandten Seite der Begleitpflanzungen können Verkehrsopfer vermieden werden. Wenn die Nahrungsgrundlage stimmt, schaffen Nistkastenprogramme neue Brutnischen. Die Aufklärung der Bevölkerung ist ein weiterer wichtiger Schritt.
Lebenserwartung
Die Jungensterblichkeit hängt zwar vom Nahrungsangebot ab, ist aber allgemein sehr hoch. Im Durchschnitt sterben 68 % noch im 1. Lebensjahr, 50% im zweiten Lebensjahr und etwa 48 % in späteren Lebensjahren. Nur ein geringer Teil wird älter als 4 Jahre. Dennoch wurde ein Höchstalter von 22 Jahren in freier Wildbahn nachgewiesen.
Quellen
- OAMV (2006): Atlas der Brutvögel in Mecklenburg-Vorpommern
- Umweltministerium M-V (2003): Rote Liste der Brutvögel Mecklenburg-Vorpommerns
- Bauer, Bezzel, Fiedler (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes
- Glutz von Blotzheim (1998): Handbuch der Vögel Mitteleuropas
- Mebs, Scherzinger (2000): Die Eulen Europas
- NABU Mecklenburg-Vorpommern (2012): Faltblatt Hilfe für die Schleiereule
Die letzten Winter waren auch in unserem Bundesland durch eine langanhaltende geschlossene Schneedecke gekennzeichnet. Da Schleiereulen schon bei geringer Schneehöhe keine Mäuse mehr orten können, brach die Hauptnahrungsquelle der Eulen weg. Mehr →
Alle Interessierten haben die Möglichkeit, sich am landesweiten Monitoring der Schleiereule zu beteiligen. Jede Information über beobachtete Bruten ist wichtig. Aber auch Meldungen über unbesetzte Nistkästen sind wertvoll und runden das Gesamtbild ab. Mehr →