Giftskandal an der Peene
Auch ein Jahr nach Umweltkatastrophe steht Information der Öffentlichkeit aus
26. September 2016 – Kürzlich wurde in Anklam die Zuckerrübenkampagne 2016/17 durch Landwirtschaftsminister Till Backhaus eröffnet. Ausgerechnet an dem Ort, an welchem vor einem Jahr ein erhebliches Fischsterben in der Peene durch einen Bioethanol-Unfall in der Zuckerfabrik ausgelöst wurde. „Die Situation ist höchst unbefriedigend“, sagt Dr. Helmut Winkler, Sprecher des Landesfachausschusses Feldherpetologie und Ichthyofaunistik im NABU Mecklenburg-Vorpommern. „Noch immer steht eine Information der Öffentlichkeit über die genauen Umstände dieses Umweltdesasters und zu den Konsequenzen für den Verursacher aus.“
Der NABU kritisiert, dass erst nachdem Bürger vor Ort aktiv geworden sind, die verantwortlichen Behörden überhaupt reagierten. „Die Ereignisse haben die offensichtlich latent schwelenden Umweltprobleme um die Zuckerfabrik Anklam erst ins Licht der Öffentlichkeit gerückt“, so Helmut Winkler. „Natürlich kann nicht die verantwortliche staatliche Behörde immer als erste am Ort des Geschehens sein. Wenn aber die Behörde mehrere Tage benötigt, bis gehandelt wird, ist das kein Aushängeschild.“
Behördliche Handlungskette hat nicht funktioniert
Offensichtlich hat die vorgesehene behördliche Handlungskette in dem Falle nicht so funktioniert, wie es in solchen Fällen hätte sein sollen. Nach etlichem Hin und Her hatte sich schließlich auch die anfängliche Vermutung bestätigt, dass das in Größenordnungen ausgetretene Ethanol aus der Zuckerfabrik stammte. Nach und nach sickerte zudem durch, dass es zumindest in den letzten zehn Jahren permanent auch Probleme mit der Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften beim Umgang mit Abprodukten der Zuckerfabrik gegeben habe. „In Sachen Fischsterben ermittelt die Staatsanwaltschaft nun fast ein Jahr, ohne dass der Öffentlichkeit ein Ergebnis bekannt geworden wäre. Zwei offensichtlich vorliegende Fachgutachten zu den Langzeitfolgen der Ethanoleinleitung für das Ökosystem der Peene können nicht eingesehen werden, solange die Ermittlungen laufen“, so Fischexperte Winkler weiter. Aus einer aktuellen Pressemitteilung geht ferner hervor, dass schon vor dem Unfall gegen Mitarbeiter der Zuckerfabrik zwei Strafverfahren wegen Gewässerverunreinigung und illegaler Abfallentsorgung liefen. Diese sollen gegen Zahlung von 500 bzw. 2.000 Euro eingestellt worden sein.
„Ungeachtet der kontroversen Diskussion über Begrifflichkeiten war das Ereignis im August 2015 vor Ort, sowohl für das Gewässer als auch die Anlieger eine Katastrophe“, stellt NABU-Landesvorsitzender Stefan Schwill klar. „Mit ungefähr 4,4 Tonnen entsorgter toter Fische lässt sich das Ausmaß des Schadens nur grob erahnen. Es ist zwar davon auszugehen, dass sich das Ökosystem der Peene und insbesondere ihr Fischbestand im Laufe einiger Jahre erholen werden. Trotzdem sollten solche Vorfälle angesichts der modernen nationalen Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung sowie internationaler Rechtsvorschriften wie der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie mittlerweile der Vergangenheit angehören.“
Welche Konsequenzen muss der Verursacher tragen?
Der NABU fordert, dass die Öffentlichkeit endlich Antworten auf die offenen Fragen erhält. „Nach nunmehr einem Jahr ist es höchste Zeit zu erfahren, welche Konsequenzen die Verursacher zu tragen haben und wie der entstandene Umweltschaden geahndet wird“, so Schwill. „Zu fragen bleibt auch, ob Schlussfolgerungen für die Arbeit der zuständigen Behörden gezogen wurden, um ähnliche Fälle zukünftig möglichst von vornherein zu vermeiden und im Schadensfalle schnell und effektiv handeln zu können.“ Außerdem stelle sich die Frage, ob die jährlich in Mecklenburg-Vorpommern auftretenden Fischsterben und ähnliche Ereignisse in einem zentralen Register erfasst und sachkundig ausgewertet werden.
Dass das Vertrauen gegenüber den verantwortlichen staatlichen Behörden und den Betreibern der Zuckerfabrik arg gestört ist, offenbart sich u.a. darin, dass Anwohner vor Ort eigenständig Wasserproben nehmen, analysieren lassen und im Internet präsentieren. Daran ändern zunächst auch die Beteuerungen zu mehr Bürgernähe seitens der Zuckerfabrik nichts. „Transparenz und einige Zeit werden nötig sein, um ein Vertrauensverhältnis herzustellen“, so Dr. Helmut Winkler. „Außerdem fragen wir uns, was die betroffenen Verbände wie Landesanglerverband - auch als gesetzlich anerkannter Naturschutzverband - und der Landesfischereiverband zur Aufklärung des Vorfalls und Wahrnehmung ihrer Belange unternommen haben.“
Kritische Auseinandersetzung konsequent und transparent führen
Mecklenburg-Vorpommern wirbt mit seiner intakten Natur um inländische und ausländische Touristen. Eine der Vorzeigeregionen ist u.a. auch der Naturpark Flusslandschaft Peenetal mit dem „Amazonas des Nordens", wie diese Region gern touristisch vermarktet wird. „Wir können auf dieses Naturerbe zu Recht stolz sein, müssen aber dafür auch konsequent einstehen“, so Stefan Schwill. „Die kritische Auseinandersetzung um das Fischsterben in der Peene bei Anklam ist unerlässlich und muss konsequent, schonungslos und vor allem transparent für die Öffentlichkeit zu Ende geführt werden.“
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