Koalitionsvertrag enttäuscht auf ganzer Linie
Kaum Antworten auf Herausforderungen im Umwelt- und Klimaschutz
Der am Wochenende verabschiedete Koalitionsvertrag ist für den NABU eine große Enttäuschung. „Die Herausforderungen im Klimaschutz und für den Erhalt der biologischen Vielfalt – die beiden zentralen Krisen von inzwischen globaler Dimension – bleiben weitestgehend ohne konkrete, geschweige denn ambitionierte Antworten“, sagt NABU-Landesvorsitzender Falk Ortlieb. „Der Koalitionsvertrag liest sich hier wie ein Weiter-wie-bisher. Dabei hat die bisherige, SPD-geführte Landesregierung jüngst mit hohem Aufwand einen Zukunftsrat einberufen, der erst vor wenigen Monaten Empfehlungen für die neue Landesregierung ausgesprochen hat. Davon findet sich allerdings so gut wie nichts im neuen Koalitionsvertrag wieder.“
So soll der Moorschutz weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgen. Die bisherigen Instrumente haben sich allerding als nicht ausreichend erwiesen. „Trockengelegte Moore sind in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor die mit Abstand größte Quelle der vom Menschen verursachten CO2-Emmissionen. Dies ist das erste klimapolitische Armutszeugnis der kommenden Landesregierung, noch bevor diese mit ihrer eigentlichen Arbeit begonnen hat“, so Ortlieb weiter.
Die neue Landesregierung muss den privaten Landbesitzern, den Land- und Forstwirten daher neue und attraktive Angebote machen, damit sie auf eine moorschonende Bewirtschaftung umsteigen und Feuchtgebiete wiederherstellen. Jeder Wasserrückhalt auf land- und forstwirtschaftlicher Fläche muss für den Nutzer nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich ein Gewinn sein. Zugleich müssen gerade bei der Landnutzung von trockengelegten Mooren klimaschädliche Subventionen abgebaut werden.
Auch bezüglich des Ausbaus erneuerbarer Energien bleibt Vieles im Vagen. Hier geht der Koalitionsvertrag an klimapolitischen Notwendigkeiten weitgehend vorbei. Dazu hätte z.B. die verpflichtende Nutzung von Photovoltaik, Solarthermie und Wärmepumpen auf bzw. in Gebäuden gezählt. Die neue Landesregierung sieht das nicht einmal für Sanierungsfälle zwingend vor. Dass eine verpflichtende Installation solcher Technologien möglich wäre, zeigt etwa die bestehende gesetzliche Austauschpflicht veralteter Öfen, Öl- und Gasheizungen zu bestimmten Stichtagen. Das gesetzliche Instrument ist vorhanden – offenbar fehlt es den Koalitionären hier allein am politischen Willen. Kein Wort findet sich im Koalitionsvertrag zum Spannungsfeld zwischen dem Ausbau vor allem der Windenergie und dem Schutz der biologischen Vielfalt, insbesondere zu Hilfsprogrammen für windkraftsensible Arten.
Zudem ist der Arten- und Lebensraumschutz im Koalitionsvertrag praktisch nicht vorhanden. „Wider besseres Wissen wird stattdessen pauschal von „intakter Natur“ gesprochen. Dies ist mitnichten der Fall“, macht der NABU-Vorsitzende deutlich. „Den auch in MV weiter voranschreitenden Verlust der Biologischen Vielfalt belegen die Roten Listen, das Monitoring sowie eine Halbzeitbilanz des SPD-geführten Umweltministeriums zur biologischen Vielfalt. Antworten darauf sucht man im Koalitionsvertrag allerdings vergeblich.“ Nur die „qualitative Weiterentwicklung des Managements der Arten Wolf und Biber“ findet im Koalitionsvertrag Erwähnung. Dabei bleibt aber völlig offen, ob damit gemeint ist, dass zukünftig mehr Biber und ihre Dämme entnommen werden sollen oder ob endlich ein entscheidender Fehler bei den Agrarsubventionen behoben werden soll: bisher wird Landwirten, die eine Vernässung ihrer Flächen durch den Biber dulden, zur „Belohnung“ die Agrarsubvention gestrichen.
Dieser liefert auch kein Bekenntnis, die Schutzgebiete des Landes endlich ihrer Bedeutung entsprechend ernst zu nehmen. Dazu würde etwa gehören, die Gebiete des europäischen Natura-2000-Netzes so zu entwickeln, dass es nicht weiter zu Vertragsverletzungsverfahren gegenüber der Bunderepublik Deutschland kommen muss. So liefert das Papier keinerlei Ankündigung dafür, wann das Gros der Naturschutzgebiete im Land nach mehr als 30 Jahren endlich mit Schutzgebietsverordnungen nach bundesdeutschem Qualitätsstandard ausgestattet und deren Schutz durchgesetzt werden soll. „Ebenfalls gibt es keine Aussage zum konsequenten Schutz unserer wertvollsten Naturwälder in den Naturschutzgebieten. Viele unserer Naturschutzgebiete bestehen nur auf dem Papier – die Bewirtschaftung der Wälder erfolgt dort in der gleichen Intensität wie außerhalb der Naturschutzgebiete“, so Ortlieb. Gleiches gilt für die Schutzgebiete im Meer: Der Koalitionsvertrag gibt keine Aussage dazu, wie endlich ein konsequenter Schutz vor Nutzung von zumindest der Hälfte dieser marinen Schutzgebiete durchgesetzt werden soll.
Auch zur dringend erforderlichen Agrarwende gibt der Koalitionsvertrag zu wenig zukunftsfähige Impulse: Es findet sich darin kein Bekenntnis zu einer Reduktion von Pestiziden und Mineraldüngern auch außerhalb von Schutzgebieten, keine klare Abkehr von der Massentierhaltung, keine zwingende Bindung der Verpachtung landeseigener Flächen an ökologische Mindeststandards. Hinzu kommen problematische Formulierungen zu „neuen Züchtungstechnologien“, die wenig Risikobewusstsein gegenüber der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen erkennen lassen.
Zu alldem findet sich in dem Papier auch kein Bekenntnis dazu, die Naturschutzverwaltung des Landes nicht wie in den zurückliegenden Jahren weiter bis zur Handlungsunfähigkeit zusammenzusparen, sondern entsprechend ihrer fortlaufend steigenden gesellschaftlichen Verantwortung personell und finanziell aufzustocken.
„Viele andere Chancen, die ein neuer Koalitionsvertrag geboten hätte, um das Land auf einen echten Pfad zur Nachhaltigkeit zu bringen, bleiben ungenutzt oder werden allenfalls halbherzig angegangen“, stellt NABU-Landesvorsitzender Falk Ortlieb fest. So gehen die wenigen positiven Aspekte im Lichte einer Gesamtschau auf den Vertrag weitgehend unter – etwa die Aussagen zum künftigen Wolfsmanagement im Land, die konkrete Zielsetzung, den Ökolandbau auf mindestens 20 Prozent der Landwirtschaftsfläche auszuweiten, die künftige konsequente Anlage von Gewässerrandstreifen oder die Umstellung der Forstwirtschaft auf naturnahe Dauerwaldnutzung.
„Wir fordern die neue Landeregierung dringend auf, auch über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus, notwendige Veränderungen im Umgang mit Natur und Landschaft konsequent anzugehen. Klima- und Biodiversitätskrise dulden hier keinen Aufschub und keine Halbherzigkeit“, so Ortlieb weiter. Bei der Entwicklung und Umsetzung entsprechender Veränderungen bietet der NABU gleichzeitig seine Unterstützung an.