Erneuter Bruterfolg am Riedensee
Im dritten Jahr in Folge Sandregenpfeifer-Nachwuchs
17. Juni 2024 - „Tihp“ tönt es weithin über den Strand während unseres Spaziergangs nahe des Riedensees. Unüberhörbar ist er, dieser Warnruf, kurz, markant, hell. Mit aufmerksamem Blick ist sein Urheber bald entdeckt. Ein zierlicher Vogel, in Ufernähe trippelt er flink entlang. Die kurzen Beine, orange wie der Schnabel, das Federkleid aus dem Farbkasten des Strandes: sandfarben der Rücken, schwarz und weiß die Kopf- und Brustpartie, fast wie „Feuersteine“ auf dem Strandwall - der Sandregenpfeifer ist unverkennbar. Bleibt er unvermittelt stehen, haben wir Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Zwischen Sand und Kieseln ist seine Tarnung perfekt.
Plötzlich ist da ein weiterer. Und noch einer. Etwas kleiner sind die beiden, ihre Färbung blasser, das Gefieder noch mit flauschigen Dunen durchsetzt. Jungvögel! Auch sie mit schnellen Trippelschritten unterwegs, dann halten sie inne, picken eifrig. Im feuchten Sand finden sie Nahrung, die kleinen Sympathieträger. Die Jungen haben keine allzu große Scheu, trotz der Warnrufe der besorgten Eltern. Lächelnd blickt Rangerin Ute Becker vom Spektiv auf. „Das ist dieses Jahr schon das zweite Paar, das Küken aufzieht“, erzählt sie, „und nicht nur das: Wir beobachten derzeit zwei weitere Bruten, so dass wir auf weiteren Nachwuchs hoffen“.
Damit gibt es im dritten Jahr in Folge Sandregenpfeifer-Nachwuchs am Riedensee. Das ist alles andere als selbstverständlich. Sandregenpfeifer sind in Deutschland vom Aussterben bedroht. Hier wie andernorts haben es die Strandbrüter nicht leicht. Die bedrohliche Nähe von Menschen oder gar Hunden sorgt für Stress. Und wenn es dann doch zur Brut kommt, wird das Gelege allzu leicht zerstört, denn nicht selten liegt es mitten auf dem Strand in einer einfachen Sandmulde. Perfekt getarnt, läuft es Gefahr, nicht erkannt und schließlich zertreten zu werden.
Schutzmaßnahmen zeigen Wirkung
Dem Sandregenpfeifer am Riedensee bessere Chancen zu geben, das ist eines der Anliegen der NABU-Aktiven vor Ort. Dort, wo die Brutbedingungen für die Vögel günstig sind, zäunten sie in den vergangenen beiden Jahren Strandbereiche ab. Jüngst errichteten sie diese temporären „Strandinseln“ erneut im Rahmen des „Riedensee“-Projekts zur Gebietsbetreuung im NSG, die Rangerinnen gemeinsam mit ehrenamtlichen Unterstützern des NABU Mittleres Mecklenburg e. V. Dankenswerterweise beteiligte sich der Bauhof Kühlungsborn auch diesmal am Aufbau, stellte das Material zur Verfügung und führte außerdem die aufwendige Reparatur des Dünenzauns aus. Der war bei den Sturmfluten im vergangenen Winter stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Der Einsatz aller Beteiligten zahlt sich aus, die Bruterfolge sprechen für sich. Auch die derzeitigen Gelege liegen geschützt im abgezäunten störungsarmen Areal. Die Vögel können sich mit ihren Jungen dorthin zurückziehen. Es ist eine Win-Win-Situation für Mensch und Natur. Besucher können weiterhin den Strand besuchen und im Vorbeigehen unvergessliche Naturerlebnisse mitnehmen. Dass die Strandinseln akzeptiert und nicht betreten werden, dafür sorgen wie auch in den vergangenen Jahren kleine Infotafeln.
Die Arbeit der beiden Rangerinnen Rebecca Kain und Ute Becker trägt ebenfalls dazu bei, die Naturschätze im und um den Riedensee zu bewahren. Mehrmals wöchentlich sind sie im Gebiet, klären Besucher auf, beantworten Fragen, beobachten aufmerksam die Natur und dokumentieren ihre Entwicklung. Rebecca Kain übt diese Aufgabe schon seit drei Jahren aus. Seit kurzem übernimmt Biologin Ute Becker ebenfalls die Ranger-Aufgaben. Seit drei Jahrzehnten Kühlungsbornerin, war sie von Anbeginn des Riedensee-Projekts dabei.
Auf ihren Führungen am Riedensee vermitteln die beiden NABU-Aktiven unter anderem, wie einfallsreich die Natur ist, wenn es um die Besiedlung von Lebensräumen geht, die sich immer wieder umgestalten, weil Wind und Wellen ihre Handschrift hinterlassen. Die Rangerinnen verraten, welche Geheimnisse sich im Schilf, auf und unter Wasser oder am Spülsaum verbergen. „Denn“, so sind sie sich sicher, „die Schönheit ursprünglicher Natur vermittelt sich den Besuchern am Riedensee zumeist intuitiv. Doch Vieles erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Und letztlich kann man die Natur nur schützen, wenn man begreift, welcher Schatz ihr wirklich innewohnt“.
Die nächste Führung wartet schon. Mit etwas Glück steht dann die Begegnung mit den allerjüngsten Sandregenpfeifern auf dem Programm. Aktuelle Termine und Buchungsmöglichkeiten für Führungen finden sich unter https://www.kuehlungsborn.de/events/veranstaltungsplan.html
Text: Ute Becker / NABU Mittleres Mecklenburg e. V.
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