Empörung über kurzfristigen Abriss des Stralsunder Pionierhauses
Bundesnaturschutzgesetz und Einwände von NABU und Bürgern ignoriert
Der Abriss erfolgte ausgerechnet einen Tag, nachdem der NABU-Landesverband sich eingeschaltet und beim Landkreis eine Aussetzung der Abrissgenehmigung beantragt hatte. „Wir wollten lediglich, dass der Artenschutz beachtet und vor allem das Vorkommen von Fledermäusen in dem alten Gebäude zunächst fachgerecht untersucht wird, bevor alles abgerissen wird und damit höchstwahrscheinlich wichtige Quartiere der geschützten Arten zerstört werden“, erläutert Christa Budde vom NABU Stralsund. „Dass nun trotz unserer berechtigten Einwände das Pionierhaus kurzerhand und noch dazu an einem Samstag einfach abgerissen wurde, hat einen faden Beigeschmack von Mauschelei.“
Bei dem ehemaligen Pionierhaus am Knieperdamm 5 handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem Jahr 1811, das in einem Park mit altem Baumbestand liegt, in dem z. B. seit Jahren ein Waldkauzpärchen brütet. „Außerdem ist bekannt, dass dort Fledermäuse das Grundstück zumindest zum Jagen nutzen. Es ist gut möglich, dass sie dort auch ihre Wochenstuben oder Winterquartiere haben. Mit Gewissheit lässt sich das jedoch nicht sagen, da es nie untersucht worden ist“, so Christa Budde vom NABU Stralsund. Spätestens mit der Planung für eine neue Bebauung bzw. den Antrag auf eine Abrissgenehmigung hätte nicht nur das Gebäude, sondern auch die Parkbäume nach Ansicht der Naturschützer genau geprüft werden müssen. Stattdessen wurden Einwände von Naturschützern und Bürgern der Stadt weitgehend ignoriert.
Artenschutzgutachten mit schwerwiegenden Mängeln
Für den NABU steht fest, dass das Artenschutzgutachten, welches von einer Biologin aus Nordrhein-Westfalen erstellt wurde an schwerwiegenden Mängeln leidet. Vor allem hinsichtlich streng geschützter Fledermausarten hat das Gutachten seinen Zweck verfehlt, da entscheidungsrelevante Sachverhalte einfach nicht erfasst wurden und somit nicht bewertet werden können. Die betreffenden Gebäudebereiche wären mit Hilfe einer Hubarbeitsbühne einfach anzufahren und zu öffnen gewesen. Das Öffnen möglicher Quartierbereiche ist notwendig, um Besiedelungsspuren feststellen zu können. Eine einfache stichprobenartige Sichtkontrolle vom Boden aus kann nicht ansatzweise als Nachweis dafür dienen, dass keine Fledermausquartiere vorhanden sind, denn diese sind schließlich nicht jederzeit durch Fledermäuse belegt. Die Quartiere sind auch bei Abwesenheit der Tiere gesetzlich geschützt und müssen berücksichtigt werden. Das ist hier nicht passiert. Der Abriss des Gebäudes ohne ausreichende Prüfung auf mögliche Fledermausquartiere verstößt gegen die Artenschutzvorschriften des §44 Bundesnaturschutzgesetz. Danach ist es unter anderem verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten zu beschädigen oder zu zerstören“, so NABU-Vorstandsmitglied Martin Graffenberger. „Sollten durch den Abriss oder die Baumfällungen gar Fledermäuse getötet worden sein, handelt es sich sogar um eine Straftat.“
Nachdem auch der im Artenschutzgutachten geforderte Baumschutz weder bei den Fällungen, noch beim Abriss des Gebäudes eingehalten wurde, hat der NABU Stralsund mittlerweile eine Strafanzeige gestellt. „Neben der Ignoranz seitens der Genehmigungs- und Fachbehörden gegenüber unseren Einwänden und geltendem Artenschutzrecht, sind wir mindestens ebenso enttäuscht über die Berichterstattung durch die Medien zu diesem Thema“, ergänzt der Vorsitzende der NABU-Gruppe Stralsund, Dr. Dieter Curschmann. „So wurde über die von uns initiierte Mahnwache überhaupt nicht berichtet, diese nicht einmal als Terminankündigung veröffentlicht. Kritischer und vor allem unabhängiger Journalismus sieht anders aus.“
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