Die Silberblättrige Goldnessel
Schön - aber gefährlich für die Artenvielfalt
An grauen Herbsttagen zaubern die letzten Herbstastern etwas Farbe in den Garten. Wie willkommen erscheinen da Pflanzen, deren Zierwert unabhängig von der Blüte ist. Pflanzen mit schön geformten, immergrünen Blättern oder solchen, die andersfarbige Zeichnungen besitzen, sogenannte Panaschierungen. Zu diesen Pflanzen gehört die Silberblättrige Goldnessel (Lamium argentatum), die in sehr vielen Gärten anzutreffen ist.
Dass sie absolut schattenverträglich ist und sich im Frühjahr mit zahlreichen gelben Blüten schmückt, die emsig von Bienen und Hummeln besucht werden, mag den Naturliebhaber umso mehr in Versuchung führen, diese Pflanze im eigenen Garten anzusiedeln. Wer dies jedoch tut, wird nach nur wenigen Jahren eine böse Überraschung erleben. Dort, wo ehemals im Frühjahr ein bunter Blütenteppich aus Lungenkraut, Lerchensporn und Anemonen erblühte, wird sich alsbald nichts anderes mehr zeigen als die Silberblättrige Goldnessel.
Leider können auch Gartenzäune dem Ausbreitungsdrang dieser Art keine Grenzen setzen und so erstrecken sich inzwischen auch jenseits privater Gartengrundstücke vielerorts riesige silbrig-grüne Teppiche. So auch im Naturschutzgebiet „Warnowtal bei Karnin“.
Direkt am Ufer der Warnow, dort wo sich der Fluss unter der Brücke teilt und über eine naturnah angelegte Fischtreppe dahinrauscht, ist der Waldboden über große Flächen fast lückenlos mit der Silberblättrigen Goldnessel bedeckt. Die ehemals artenreiche Vegetation - Arnznei-Baldrian und Flügel-Braunwurz am Ufer, Wolliger Hahnenfuß, Ährige Teufelskralle und Dunkles Lungenkraut in den trockeneren Bereichen - werden nach und nach verdrängt.
Einwurzeln nach dem Schneeballprinzip
Selbst der bei vielen Gartenbesitzern so unbeliebte Giersch wird unter den oberirdisch verlaufenden Ausläufern der Nessel regelrecht begraben. Die Verbreitungsstrategie ist so simpel wie erfolgreich: Jede Einzelpflanze bildet an den Langtrieben zahlreiche neue kleine Pflänzchen, die den Waldboden nach freien stellen „absuchen“, um dort selbstständig einzuwurzeln und das Spiel fortzusetzen. Nach diesem Schneeballprinzip kann eine einzelne Pflanze innerhalb kürzester Zeit eine freie Fläche vollständig für sich einnehmen. Über Stellen im Waldboden, in denen die Pflanze keine Wurzeln schlagen kann, weil dort zum Beispiel große Steine liegen, schieben sich die Ausläufer einfach hinweg, um hinter diesem Hindernis Fuß zu fassen. Weniger wuchskräftige Arten gehen sehr schnell an Licht-, Wasser- und Nährstoffmangel zugrunde.
Da die Pflanze zur Blütezeit bei Insekten überaus beliebt ist, sorgt sie zudem auch über reichliche Samenbildung für ihre Vermehrung. Mit Recht darf nun angemerkt werden, dass doch also zumindest die Bienen und Hummeln von dieser Pflanze offensichtlich profitieren. Doch auch hier trügt der Schein. Während Lungenkraut, Lerchensporn und Teufelskralle im Frühjahr über viele Wochen zahlreiche Insekten mit reichlich Nektar und Pollen versorgen, beschränkt sich die Blütezeit der Silberblättrigen Goldnessel auf einen wesentlich kürzeren Zeitraum. Davor und danach herrscht Hungerzeit für die Insekten. Darüber hinaus sind gerade Wildbienen oft sehr spezialisiert auf bestimmte Blüten. Auch die Raupen der Lungenkraut-Metalleule, ein sehr seltener Nachtfalter, können mit der Nessel nichts anfangen.
Die "friedliche" heimische Schwester
Allerdings hat die Silberblättrige Goldnessel auch eine „friedliche“ heimische Schwester: die Echte Goldnessel (Galeobdolon luteum). Aus dieser wurde die Silberblättrige Goldnessel höchstwahrscheinlich irgendwann einmal gezüchtet. Mit der Auslese der hübsch gezeichneten Blätter ging allerdings auch eine Auslese der starken Wüchsigkeit einher.
Wie stark die Vielfalt der Arten durch eine einzige Art bedroht werden kann, ist also am Beispiel der Silberblättrigen Goldnessel sehr gut nachvollziehbar. Es kann daher nur jedem Gartenbesitzer ans Herz gelegt werden, diese Art nicht in den eigenen Garten zu holen oder - wenn es dafür bereits zu spät ist - die gejäteten Pflanzen nicht über den Gartenzaun in die freie Natur zu entsorgen.
Wer sich unsicher ist, ob er die Silberblättrige oder die Echte Goldnessel im Garten oder im nah gelegenen Wald gefunden hat, kann sich ein Belegexemplar in der Landesgeschäftsstelle des NABU bestimmen lassen. Auch über die naturnahe Gestaltung des eigenen Gartens berät der NABU gern.
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